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Die Glasharmonika

Große Kompositionen für einen feinen Klang

Ob nun Mozart, Hasse, Donizetti, Strauss oder Saint-Saëns – sie alle komponierten Stücke, in denen auch eine Glasharmonika vorkommt

vonNicolas Furchert,

Dass man mit Glas prima Musik machen kann, haben schon viele selbst ausprobiert oder zumindest erlebt. Wer im richtigen Winkel über einen Flaschenhals bläst, erzeugt ebenso einen sogar stimmbaren Ton wie der, der mit feuchten Fingern über den Rand eines Trinkglases fährt. Für dieses Verfahren sollte allerdings das Glas dünn und der ausgeübte Druck kräftig sein. Während ein solcher „Auftritt“ vor allem für Unterhaltung bei heimischen Partys sorgt, verfährt ein „echtes“ Musikinstrument mit erstaunlich ähnlicher Technik: die Glasharmonika.

Etwa so hoch wie der Spieltisch eines Klaviers finden sich hier keine Tasten, sondern auf einer Achse eng ineinander geschobene Glocken aus Glas. Das sieht ein wenig aus wie eine Reihe von Suppentellern in einer Spülmaschine. Allerdings verfügen die Glocken über einen Drehmechanismus, der früher manuell betätigt werden musste, heute aber auch über einen Motor verfügt. Durch die Drehung der Glocken um die eigene Achse kann das Instrument mit ganz ähnlichen Griffen gespielt werden wie ein Klavier, einschließlich Akkorden, Melodie und Begleitung. Die Musikwissenschaft spricht deshalb auch von einem „Reibe-Idiofon“. Nur ein Wasserglas sollte in der Nähe stehen, denn wie beim Partyspaß müssen die Finger feucht sein, sonst ist es mit dem „Selbstklinger“ (Idiofon) nicht weit her.

Der Tonumfang ist zwar geringer als beim Klavier, beträgt aber immerhin bis zu vier Oktaven. Der Klang ist ein schwebender mit viel Nachhall, so als würde ein Pianist ständig das Haltepedal treten. Allerdings sorgen die Gläser für einen weitaus sanfteren Klang als die mit einem Hammer angeschlagenen Saiten des Klaviers.

Kompositionen für die Glasharmonika

Illustration von Benjamin Franklins Glasharmonika
Illustration von Benjamin Franklins Glasharmonika © gemeinfrei

Erfunden hat das Instrument 1761 Benjamin Franklin – der Benjamin Franklin, einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch Gründer der ersten Leihbibliothek des Landes und Erfinder des Blitzableiters.

Glasinstrumente und Glasspieler gab es schon früher, aber erst mit Franklins Erfindung war tatsächliches Musizieren jenseits von kürzeren Schauauftritten möglich. Johann Adolf Hasse schrieb 1769 eine Kantate für Sopran, Glasharmonika und Orchester, Mozart in seinem Todesjahr 1791 ein Quintett in der aparten Besetzung Glasharmonika, Flöte, Viola und Cello sowie ein Adagio für Glasharmonika allein. Carl Maria von Weber verwendete sie in seinem Adagio e Rondo von 1811.

Andere, heute kaum noch bekannte Komponisten gaben gleich alternativ das Klavier als Besetzung an. Doch nicht nur die „Anleitung zum Selbstunterricht auf der Harmonika“ des Komponisten, Geigers und Pianisten Johann Christian Müller von 1788 zeigt, dass es damals wohl mehr Glasharmonikaspieler gab als nach den wenigen erhaltenen Kompositionen zu vermuten wäre.

Ein empfindliches Instrument

Ab 1830 wurde die das Instrument mehr und mehr vergessen. Das neue Harmonium klang zwar weder gläsern noch schwebend, war aber weitaus weniger empfindlich. Bei der Glasharmonika stellte jeder Transport ein Risiko dar, und ein Anpassen an den lokalen Stimmton war zwar theoretisch möglich, die dafür erforderlichen Schleifarbeiten jedoch überaus riskant.

Zu den letzten großen Aufgaben gehört 1835 die Wahnsinnsszene der Lucia aus „Lucia di Lammermoor“ von Donizetti. Schon damals wurde der Komponist gedrängt, die Begleitung alternativ für zwei Flöten zu arrangieren, ein wenig befriedigender Ersatz. Ersetzt wird die Glasharmonika in der Regel auch im Aquarium und Finale aus Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“ (1886), hier allerdings besser passend durch ein Glockenspiel. Was Saint-Saëns allerdings überhaupt dazu brachte, das zu dieser Zeit kaum noch bekannte Instrument zu fordern, ist nicht überliefert.

Massive Probleme mit der Besetzung hatte schließlich Richard Strauss. Ob sich 1919 für seine Oper „Die Frau ohne Schatten“ ein spielfähiges Instrument auftreiben ließ, ist nicht überliefert. Eines soll mit verbogener Achse eingetroffen sein. Erst seit den 1980er-Jahren werden wieder Glasharmoniken gebaut, die allerdings nur von wenigen Musikern bedient werden können. Zu ihnen gehört Sebastian Reckert, Mitglied des Ensembles sinfonia di vetro, der mittlerweile häufig für Aufführungen von Lucia di Lammermoor engagiert wird. Zeitgenössische Werke stammen von Jörg Widmann und Heinz Holliger (Oper „Schneewittchen“).

Tschaikowsky auf Glas:

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Der bekannteste Glasharmonikaklang stammt von Saint-Saëns:

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Die Glasharmonika bei Donizetti:

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