Ein Bahnhof, irgendwo im Nirgendwo einer staubtrockenen Steppenlandschaft, dazu die langgezogenen, klagend-quälenden Töne einer Mundharmonika – kaum eine Szene der Filmgeschichte ist so unverkennbar mit dem Klang eines Instruments verbunden, wie der Beginn von Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“. Ennio Morricones Filmmusikklassiker dazu ist gleichzeitig eines der wohl bekanntesten Kompositionen für die Mundharmonika, deren Erfinder bis heute unbekannt ist.
Als die ersten Exemplare der Mundharmonika um 1820 im deutschsprachigen Raum erhältlich waren, war die in ihnen verbaute Technik längst keine bahnbrechende Neuerrungenschaft mehr. Die sogenannten durchschlagenen Stimmzungen, die der Tonerzeugung dienen, waren bereits aus dem Orgelbau und aus den Mechaniken von aufziehbaren Spieluhren bekannt. Folglich stellte sich auch kein nennenswerter Verkaufserfolg in den ersten Produktionsjahren ein. Nicht einmal eine Patentanmeldung erfolgte, sodass jeder handwerklich begabte Tüftler das Instrument produzieren konnte, was eine genaue Herkunftsbestimmung heute unmöglich macht.
Spitzname „Ohrenquäler“
Ihren Siegeszug trat die Mundharmonika um das Jahr 1825 von Wien aus an, wo sie sich – mittlerweile mit dem Spitzname „Ohrenquäler“ versehen – in den Folgejahren großer Beliebtheit erfreute. Ihre Konstruktionsweise ist seitdem unverändert geblieben. Innerhalb eines sogenannten Kanzellenkörpers sind zahlreiche Luftkanäle parallel zueinander angeordnet, in denen jeweils eine nach innen, beziehungsweise nach außen gerichtete Durchschlagszunge montiert ist. Mittels Hineinblasen oder Hinaussaugen von Luft werden diese in Schwingung versetzt und erzeugen so den charakteristischen Klang.
Wenig Klassik, viel Folk und Blues
Ob in der diatonischer Ausführung, bei der zwar nicht alle Töne vorhanden, jedoch einfache Melodien mit Akkordbegleitung zu spielen sind, oder in der chromatischen Variante mit allen Tönen – in der Welt der Klassik hat es die Mundharmonika bisher nur in drei größere Werken geschafft. Heitor Villa-Lobos und Malcolm Arnold komponierten jeweils ein Solokonzert für Mundharmonika und Orchester, der englische Komponist Ralph Vaughan Williams eine Romanze für Mundharmonika und Streicher.
Anders sieht es jedoch in der amerikanischen Folk- und Bluesmusik aus, die ohne den Klang des handlichen und bis heute sehr preiswerten Instruments in Taschenformat nicht vorzustellen wäre und gleichzeitig beweist, dass die Mundharmonika eben weit mehr als eben nur ein „Ohrenquäler“ ist.
Der Klassiker:
Das Konzert von Villa-Lobos: