Wer Kinder oder Enkel hat, kennt das Phänomen: Da geht man in ein Technikmuseum und denkt bei so manchem Ausstellungsstück: „Ach, das hatten wir früher auch“ oder vielleicht sogar „Wieso steht das im Museum, das kennt doch jeder“. Und während sich ein wenig Nostalgie im Kopf verbreitet, wird man vom Nachwuchs in Gegenwart und Alltag zurückgeholt: „Was ist das denn für ein Ding?“
So hatte manches Gerät einst eine große Verbreitung, um je nach technischer Weiterentwicklung nach kürzerer oder längerer Zeit fast vollständig aus dem Alltag zu verschwinden und eben im Museum zu landen. So ging es dem Wählscheibentelefon, dem Tonband, dem Super-8-Film, der Kompaktkassette, der Videokassette, der Diskette, um nur einige Beispiele zu nennen. Und so ging es auch der Schreibmaschine.
Fingerübungen für die Schreibmaschine
Ihre Geschichte beginnt bereits 1714, allerdings nur mit einem Patent. Im frühen 19. Jahrhundert wurden dann einzelne Modelle gebaut, in erster Linie als Schreibhilfe für Blinde. Die industrielle Fertigung begann 1876 in den Vereinigten Staaten. 1899 schließlich wurde das sogenannte Wagnergetriebe patentiert, das lange Zeit Grundlage der Mechanik blieb. So wurde die Schreibmaschine zum Standardgerät eines jeden Büros und später auch fast jeden Haushalts.
Die scheinbar bunte Anordnung der Buchstaben ist dabei keinesfalls willkürlich, sondern der Verwendung innerhalb der Schriftsprache geschuldet. Lägen alle häufig vorkommenden Buchstaben dicht beieinander, würden sich die Typenhebel ständig verhaken. So kam es zu der Verteilung der Vokale und dass sich die selten benutzten Buchstaben ganz am Rand befinden. Und so kommt es auch, dass sich in der englischen Tastatur das dort häufige „y“ an anderer Stelle findet als in der deutschen. Das „Maschineschreiben“ war zentraler Aspekt des Sekretärinnenberufs und musste erlernt werden. Dabei ging es nicht nur um das „Blindschreiben“ mit allen Fingern, sondern auch um Fingertraining, da die Benutzung der Typenhebel viel mehr Kraft erforderte als dies bei heutigen Tastaturen der Fall ist.
Die musikalische Schreibmaschinenseite
Musikalisch gesehen ist die Schreibmaschine eigentlich nur bedingt interessant. Drei typische Geräusche werden mit ihr verbunden: Da ist das Klappern der Typen, wenn sie auf der Papierrolle ankommen und so ihren Buchstaben schreiben. Da ist das „Ping“ einer mechanischen Glocke, wenn das Zeilenende naht. Und da ist das „Rrrrt“, eine Kombination aus der Hebelbewegung, wenn das Papier eine Zeile nach oben geschoben wird (und entsprechend der Text eine Zeile tiefer fortgesetzt werden kann) und dem Zurückschieben des Wagens zum Beginn der neuen Zeile.
Kompositionen rund um die Schreibmaschine
Entsprechend selten kommt die Schreibmaschine als Musikinstrument zum Einsatz. Neben der gelegentlichen Verwendung in der Popmusik – am bekanntesten ist wohl Pink Floyds „Money“ von 1973 – findet sich eine Szene in Pablo Sosozábals Zarzuela „La eterna canción“ aus dem Jahr 1945. Neutöner Rolf Liebermann schrieb für die Schweizerische Landesausstellung 1964 die Sinfonie „Les Echange“ für ein Orchester aus gleich 156 lochkartengesteuerten Büromaschinen, darunter 16 Schreibmaschinen.
Das mit Abstand bekannteste Werk ist jedoch Leroy Andersons „Typewriter“ von 1950. Dabei liegt hier eigentlich ein Missverständnis vor. Die Geräusche werden gar nicht vom „Solisten“ und dessen Schreibmaschine erzeugt, sondern von den Schlagzeugern des Orchesters. Und die eigentliche Arbeit in diesem humorvoll-unterhaltsamen Stück haben die ersten Geigen, die mit ihren Sechzehntelläufen vielleicht auch so etwas wie die hektische Betriebsamkeit in den Großraumbüros jener Zeit darstellen. Bekannt geworden ist das Stück vor allem durch Jerry Lewis’ pantomimische Darstellung in dem Film „Der Ladenhüter“ von 1963.
Das Boston Typewriter Orchestra
Tatsächlich als Klangerzeuger werden Schreibmaschinen vom Boston Typewriter Orchestra verwendet. Es arbeitet naturgemäß in erster Linie mit rhythmischen Elementen, stellt aber vor allem eine historische Gegebenheit auf den Kopf. Nach einer Erhebung im Jahr 1900 waren 95 Prozent der Schreibkräfte unverheiratete Frauen. Die sechs Mitglieder des Laienensembles sind aber allesamt Männer.
„Les Echange“ von Rolf Liebermann:
Das Boston Typewriter Orchestra:
Der Schreibmaschinenklassiker: