Es ist schon erstaunlich, dass ein Künstler, von dem man alles zu kennen und zu wissen meint, doch noch überraschen kann. Die Rede ist von Riccardo Muti, jenem unbestrittenen Grandseigneur der Dirigentenzunft, der mit seinen nunmehr achtzig Jahren eigentlich über allen Dingen stehen müsste. Doch im Gespräch mit Peter Krause offenbarte er, wie klein er sich jahrzehntelang fühlte, wann immer er die Partitur von Beethovens „Missa solemnis“ aufschlug. Im Sommer dirigierte er erstmals die Messe – ein Unterfangen, das er mit einer Besteigung des Mount Everest verglich. Im weiteren Verlauf des Interviews sprach Muti gar davon, dass eine Komposition wie diese das Kreuz sei, das man als Musiker tragen müsse, um die Freude der Erkenntnis zu erlangen.
Große musikalische Errungenschaften brauchen seine Zeit – das weiß auch die junge Mezzosopranistin Emily D’Angelo. Im letzten Jahr strandete die Kanadierin in Berlin – nicht ganz unfreiwillig, wie sie im Gespräch mit Matthias Nöther gestand. Über Monate hinweg arbeitete sie an einem wahrhaft ungewöhnlichen Album, auf dem sie sich mit dem musikalischen Schaffen der Mystikerin Hildegard von Bingen auseinandersetzt. Haben Interpreten heutzutage nurmehr wenige Wochen Zeit für CD-Aufnahmen, konnte das Projekt während der Corona-bedingten Lähmung der Zeitläufte langsam und mit Bedacht zu einem exzeptionellen Kunstwerk heranreifen.
Auch unser Blind-gehört-Kandidat Alexej Gerassimez ließ sich gerne Zeit beim Erraten der Musikstücke. Das lag allerdings nicht daran, dass er die Stücke nicht erkannt hätte, sondern war schlicht dem Umstand geschuldet, dass er Substanzielles und durchaus auch Überraschendes über die Schlagwerkaufnahmen kundgetan hat. Gut Ding will eben Weile haben.
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