Um viele Werke in der Klassik ranken sich Mythen und Legenden, die man gern glauben möchte, weil sie so passend, so romantisch sind. Vieles davon ist jedoch übertrieben oder schlichtweg unwahr. Bach etwa hat wohl kaum eine permanente Erleuchtung durchlebt, als er unter höchstem Zeitdruck wöchentlich seine zahllosen Kantaten ablieferte. Mozart schrieb sein Requiem gewiss nicht, weil er das Ende nahen sah, und Schubert komponierte auch nicht so viele „traurige“ Stücke, weil er immer traurig war. In vielen Fällen jedoch spielen biografische Aspekte aus dem Leben des Komponisten durchaus eine Rolle. Und auch wenn man diese nicht immer unmittelbar aus den Noten herauslesen kann, so hört man die Stücke vor diesem Hintergrund oft ganz anders.
Dirigent und Violinist Emmanuel Tjeknavorian und das Württembergisches Kammerorchester Heilbronn haben sich ein Programm ausgedacht, bei dem jedes Werk einen solchen biografischen Schatten seines Schöpfers auf sich trägt: Die Suite Rakastava etwa komponierte Jean Sibelius ursprünglich als A-cappella-Zyklus für Männerchor, bevor er sie 1912, achtzehn Jahre später, neuvertonte, während er in Todesangst die Rückkehr eines kurz zuvor herausoperierten Tumors befürchtete. Prokofjews schmerzvoll-düstere Violinsonate op. 80 entstand zwischen 1938 und 1946 – ein klingendes Abbild des Zweiten Weltkriegs. Das heitere Souvenir de Florence ist dagegen ein sonniger Rückblick auf Tschaikowskys Italienreise im Jahr 1890.