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Europäische Erstaufführung von „Émigré“

Ein wenig bekanntes Kapitel des Zweiten Weltkriegs

Das Oratorium „Émigré“ erzählt von zwei jüdischen Brüdern, die nach den ­Novemberpogromen 1938 Zuflucht in Shanghai suchen.

vonHelge Birkelbach,

Ein Oratorium von einem zeitgenössischen Komponisten? Uraufgeführt im November 2023 in der Jaguar Shanghai Symphony Hall? Um Himmels Willen! Das kann sich doch kein Mensch anhören, geschweige denn verstehen … Soweit die gängigen Vorurteile. Aber im Falle von Aaron Zigman verhält es sich etwas anders.

Der US-amerikanische Komponist und Musikproduzent ist vor allem durch seine Filmmusiken einem breiten Publikum bekannt. Er schrieb unter anderem die Scores zu „Wie ein einziger Tag“ („The Notebook“), „Wakefield“ und „Sex and the City“. Außerdem schrieb und produzierte er Songs für Tina Turner, Phil Collins, Christina Aguilera, Sting und viele andere. Sein Oratorium „Émigré“ lässt sich insofern – trotz des historisch tiefgreifenden Themas – eher der Musical-Handschrift eines Leonard Bernsteins oder dem aktuellen Musiktheater zuordnen. Auch narrativ biegt „Émigré“ nicht um tausend Ecken oder bemüht abstrakte Formeln, um die Dringlichkeit seines Sujets ausbreiten zu können. Dafür Sorge trägt Mark Campbell, der zusammen mit Brock Walsh das Libretto verfasste. Campbell gewann 2012 den Pulitzer-Preis für die Oper „Silent Night“, außerdem den Grammy für „The (R)evolution of Steve Jobs“.

Ein anspruchsvoller Klangkörper für ein derartiges Oratorium: Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin
Ein anspruchsvoller Klangkörper für ein derartiges Oratorium: Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin

Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin sorgt nun zusammen mit dem Rundfunkchor Berlin und namhaften Solisten für die europäische Erstaufführung des Oratoriums. Worum geht es? „Émigré“ erzählt von zwei deutsch-jüdischen Brüdern, die nach den Novemberpogromen 1938 Zuflucht in Shanghai suchen und dort Hoffnung und Liebe finden. Obwohl die Handlung fiktiv ist, basiert die Geschichte auf den Schicksalen von über 20 000 jüdischen Geflüchteten, die in der offenen, multikulturellen Metropole zeitweise eine neue und sichere Heimat fanden. Leben und leben lassen gehörte hier zum Alltag. Shanghai war damals die fünftgrößte Stadt der Welt, China erlaubte den Schutzsuchenden die Einreise ohne Visum. Dies fand jedoch 1941 abrupt ein Ende, als die japanischen Besatzungsmächte die Grenzen für Juden dicht machten und Menschen wie die Brüder Otto und Joseph Bader in ein Ghetto zwangen. Das endlose Leid der Menschen ohne Heimat setzte sich fort, wie schon Jahrhunderte davor – und danach.

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