In heutigen Zeiten mag es manch selbst ernannten „Realisten“ fast schon als überkommen gelten, strikte pazifistische Überzeugungen zu vertreten, was in Zeiten des Kalten Krieges noch anders war. Und doch lässt das 1962 uraufgeführte „War Requiem“ von Benjamin Britten auch heute noch wohl niemanden kalt, der die unerträglichen Zumutungen des Kriegshandwerks nicht selbst erlebt hat.
Schon seit dem Frühling sucht die Hamburger Jacobikirchgemeinde nach Mitsängern für ein außergewöhnliches Konzert, das sie Mitte November anlässlich des 80. Jahrestags der Zerstörung der Hauptkirche und ihrer Aufnahme in die Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry plant. Bereits im Juni hatte Brittens Bekenntniswerk – monumental und nachdenklich zugleich – unter Teodor Currentzis den formidablen Abschluss des Hamburger Musikfests gebildet, und im kommenden Februar versammeln sich für eine weitere Aufführung nicht weniger als sieben Hamburger Laienchöre in der Laeiszhalle.
„War Requiem“ in historischer Stätte
Jacobi-Kantor Gerhard Löffler leitet das Requiem nun aber an historischer Stätte mit seiner eigenen Kantorei und dem Arp-Schnitger-Ensemble, unterstützt vom Bergedorfer Kammerchor und den jugendlichen Stimmen des Hamburger Mädchenchores, die für das Werk obligatorisch sind. Die Orchesterparts übernehmen die Hamburger Camerata und das Ensemble Reflektor, so dass die Aufführung ein Zusammenspiel von sehr vielen lokalen Musikern zu werden verspricht, die der gemeingültigen Aussage des Werkes nur dienlich sein können.
Denn mag das „War Requiem“ auch zur Erinnerung an den deutschen Luftangriff auf Coventry 1940 für die Wiedereröffnung der dortigen Kathedrale geschrieben worden sein – seither gilt es rund um die Welt als mahnendes Zeichen und Protest gegen die Unmenschlichkeit von kriegerischen Zuständen im Allgemeinen. „Die Poesie liegt im Leid, und alles, was ein Dichter heute tun kann, ist: warnen“, zitierte der Komponist den 1918 nur 25-jährig gefallenen Landsmann Wilfred Owen, dessen Lyrik er im Wechsel mit den liturgischen Passagen in seinem Requiem vertonte und ihm so erst seine zwingend aktuelle Eindringlichkeit verlieh. Man kann nur hoffen, dass die Kunst auf diese Weise nicht lockerlässt, ihren Teil zu einer friedlicheren Welt beizutragen.