Wellensittiche und Wagner-Opern – das sind die beiden großen Leidenschaften von Ole Olafsen. Seit einiger Zeit sorgt der Deutsch-Däne unter Ornithologen und Klassikfans für Furore. Denn der Vogelfreund züchtet Sittiche – und trainiert sie auf den Gesang von Wagner-Motiven.
Es war eine zufällige Entdeckung: Wie jeden Abend sitzt Ole Olafsen in seinem Wohnzimmer und hört sich seine Lieblingspassagen aus Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ an. Immer mit dabei: Plattschweifsittichdame Sieglinde. „Sieglinde ist alles für mich“, schwärmt der 61-jährige Frührentner. „Wenn wir zusammen den ‚Ring‘ hören, bekommt sie immer den besten Platz.“ Exakt zentriert zwischen den Lautsprecherboxen der Musikanlage, im idealen Schallwinkel des Zimmers, steht der Käfig des kleinen südseeblauen Ziervogels mit der schwarzweiß gebänderten Sperberung auf Flügeln und Hinterkopf. Verdutzt schaut er durch die Stäbe.
„Mit Hojotoho fing alles an“
Im zweiten Akt der „Walküre“, gleich zu Beginn, passiert es plötzlich: Sittich Sieglinde singt mit. „Mit ‚Hojotoho‘ fing alles an!“, erzählt Olafsen, noch immer ist ihm die begeisterte Erregung anzumerken. „Dann ging es immer weiter.“ Australische Wellensittiche gehören zwar zu den Papageienvögeln, doch sind sie normalerweise nicht in der Lage, Stimmen zu imitieren. Anders bei Wagner: „Brünnhildes berühmter Schlachtruf der Walküren muss etwas in dem Vogel ausgelöst haben.“
Hin und weg von der Idee Wagner zwitschernder Federtiere beginnt Olafsen zu experimentieren. Er kauft zahlreiche Sittiche, baut Volieren in seinem Garten und lässt sie unermüdlich beschallen. „Offenbar springen nur die blauen Sittiche auf Wagner an. Alle anderen sind fast durchgedreht. Der Krach war unerträglich. Ich musste sie wieder weggeben.“
Keine Chance für den Vogelfänger
Doch die harte und langmütige Arbeit trägt am Ende reiche Früchte: Heute verkauft der Hobbyzüchter seine hochbegabt-melodiösen Schützlinge an Wagnerfans aus aller Welt. Die meisten Bestellungen kämen laut Olafsen aus dem asiatischen Raum. China, Japan – aber auch in Russland und den USA sei das Interesse enorm. Sogar berühmte Persönlichkeiten wie Ariana Grande und Melania Trump gehörten angeblich zu seinen Kundinnen, und auch Opernhäuser vermeldeten bereits reges Interesse für künftige „Ring“-Produktionen. „Wäre doch toll, wenn der Waldvogel im ‚Siegfried‘ seinen Part künftig selber singen könnte“, findet Olafsen.
Die Leitmotive, die die bestellten Piepmätze im Repertoire haben sollten, kann sich der Käufer selbst aussuchen. Nur von Wagner müssen sie sein: „Ich habe auch andere Werke ausprobiert, aber Mozarts ,Vogelfänger‘ können die Tiere so gar nichts abgewinnen.“ Am beliebtesten seien natürlich der Walküren-Ritt und Siegfrieds Helden-Motiv, doch es gibt auch speziellere Fälle, wie der emsige Zwitscher-Trainer berichtet: „Ein Mann aus England wollte mal einen Sittich, der ihm zu Hause Fafners Wurm-Motiv vorsingt. Es war wirklich nicht leicht, den Vogel auf dermaßen tiefe Töne herunterzudrosseln. Letztendlich habe ich es geschafft, aber sowas hat dann natürlich seinen Preis.“ Je nach Aufwand variiert der Preis pro Vogel, doch man muss mit einem vier- bis fünfstelligen Betrag rechnen.
„Nicht jeder ist über den Wagner-Gesang der Sittiche erfreut“
Doch das Leben als wagnerliebender Real Life-Papageno hat auch andere Seiten. Zurzeit steckt der studierte Diplomphysiker in mühseligen Gerichtsprozessen fest. Denn der „Naturschutzbund für chronisch couragierte Ordnungshütung“ (kurz: NabuccO) geht gerichtlich gegen ihn und seine Methoden der Vogelhaltung vor. Er selbst wiederum will sich gegen protestierende Biologen und Ämter das Recht erklagen, die singenden Sittiche unter der Bezeichnung Melopsittacus wagneratus – der gemeine Wagnersittich – als eigene Art patentieren zu lassen.
In seinem kleinen Dorf nahe der dänischen Grenze ist Ole Olafsen bekannt wie ein farbloser Papagei. Auch hier findet er nicht nur Unterstützung für seine Arbeit, denn es gibt ein großes Problem: Die gefiederten Sangeskünstler zwitschern ihre schrillen Arien am liebsten zu nächtlicher Stunde. „Nicht jeder ist über den Wagner-Gesang der Sittiche erfreut“, bedauert Olafsen. „Ich habe viele Brahmsianer in der Nachbarschaft, die mir regelmäßig Drohbriefe schreiben.“ Doch der Vogelfreund sieht es gelassen: „Mit Wagners Musik ist es nun mal wie mit Königsberger Klopsen: Verabscheuen oder vergöttern – ein Dazwischen gibt’s nicht.“
Tonaufnahme von Sittich Sieglinde beim allabendlichen „Hojotoho“-Walkürenruf im Garten: