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Brahms-Jubiläum

„Ich würde mich gewiss gern gewöhnen“

Vor 150 Jahren wurde Johannes Brahms‘ erstes Klavierquartett in Hamburg uraufgeführt

vonKlemens Hippel,

Gequält hat er sich schon mit diesem Werk. Mehr als sechs Jahre, seit 1855, hatte Johannes Brahms an seinem ersten Klavierquartett gearbeitet, 1859 hatte er es erstmals in Detmold und Hamburg im privaten Rahmen probiert. Zufrieden war er dennoch nicht. „Dein Brief ist viel zu freundlich, ich habe immerfort den Kopf geschüttelt dabei. Lass mich nur einige NB wissen und warte nicht aufs Hören und ja nicht aufs ,dran gewöhnen‘“, schrieb er 1861 an seinen Freund Joseph Joachim, dem er die Partitur des Quartetts geschickt hatte. Der Geiger hatte in einer ersten Stellungnahme drei Sätze sehr gelobt: „Rund und voller Überraschungen“ sei der zweite, „innig und glücklich in den Gegensätzen“ der dritte, „sprudelnd charakteristisch“ der vierte. Nur am ersten Satz hatte Joachim vorsichtige Kritik geübt – der sei „nicht so prägnant, wie ichs von Dir gewohnt bin“, er wolle sich aber an vieles „gern gewöhnen“, was ihm an der Komposition auffalle. Auf Brahms‘ Nachfrage wurde Joachim dann deutlicher: Er bemängelte zahlreiche Einzelheiten im ersten Satz, „Unregelmäßigkeiten im rhythmischen Bau“, „unlogische“ Harmonien und kritisierte einen Übergang, der ihm „geradezu weh getan“ habe. Nur an der Durchführung habe er „unbedingt großes Gefallen“ gefunden. Schließlich mutmaßte er, dass Brahms wohl zu viel von älterem Mate-rial in das Werk einzubauen versucht habe. 

Schade, dass wir nicht wissen, wie viel von Joachims Einwänden Brahms noch berücksichtigt hat, ehe er sein op. 25 dann am 16. November 1861 im kleinen Wörmerschen Saal in der Hohen Fuhlentwiete vorstellte. Für den Klavierpart hatte er eine enge Freundin gewonnen: Clara Schumann. Der Erfolg des Konzerts war gemischt: Vom Hamburger Publikum, dem bei der musikalischen Abendunterhaltung außerdem Brahms-Lieder und Mozarts D-Dur-Sonate für zwei Klaviere geboten wurde, erntete Mozarts Musik den meisten Beifall. Auch die zeitgenössischen Kritiker, die das Werk in den nächsten Jahren in vielen Städten zu hören bekamen (unter anderem spielte Brahms es selbst bei seinem ersten Wiener Konzert 1862), konstatierten einerseits „wahre Meisterzüge in thematischer und harmonischer Arbeit“, andererseits aber auch einen „schwankenden, haltlosen Charakter“ im Eingang des Werkes und „zu große Materialfülle“. Auch den ungarischen Volkston des Finales fand mancher „zu unedel“ und deshalb ungeeignet.

Doch dann kam es wie so oft in der Musikgeschichte: Was die Zeitgenossen zu bemängeln hatten, sollte sich bald als eigentlicher kompositionstechnischer Durchbruch des Werkes zeigen: Das „Uebermass des Stoffes“ verstand man bald als die spezifisch Brahmssche Kunst des Themenbaus durch Motivvarianten, der ungarische Volkston sollte zu einem der Markenzeichen der Brahmsschen Musik werden, und die „Sprengung des Kammermusikstils“ durch eine orchestrale Behandlung der Streicherstimmen regte Arnold Schönberg 76 Jahre später zu seiner Orchesterbearbeitung des Quartetts an.

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