Gruselig ist es, wenn Tote aus ihren Gräbern steigen. Der geneigte Horrorfan weiß: Oft tun sie es, um etwas zu vollenden, was im Leben unerledigt blieb. Doch keine Angst, Beethovens Überreste ruhen weiterhin in Frieden auf dem Wiener Zentralfriedhof, während der dritte und vierte Satz seiner zehnten, unvollendeten (eigentlich muss man sagen: nur in Ansätzen skizzierten) Sinfonie am 9. Oktober im Bonner Forum der Telekom ihre Uraufführung feiern. Mag es manch einen auch gruseln bei der Vorstellung, dass man mittels künstlicher Intelligenz – also einer Ansammlung digitaler Algorithmen – versucht hat, die komplexen kreativen Prozesse eines menschlichen Genies nachzubilden und ein rund 20-minütiges Orchesterwerk zu komponieren, so macht die kurze Hörprobe des finalen Werks auf YouTube doch neugierig. Ja, das klingt eindeutig nach Beethoven, aber wird das Werk auch in seiner dramaturgischen Gesamtanlage mit einer organischen Entwicklung, groß angelegten Spannungsbögen und weitläufigen motivischen Bezügen überzeugen können?
Künstlerischer Schulterschluss von Mensch und Maschine
Die Entwicklung der großen Form, also die Abfolge der Teile in der Musik, wollte man dann doch nicht blindlings der Maschine anvertrauen. Hier machten die Musikwissenschaftler des internationalen Entwicklungsteams Vorgaben, die auf den hinterlassenen Materialien Beethovens basieren. „Gefüttert“ mit Beethovens Skizzen und Kompositionen sowie Werken, die den Wiener Klassiker beeinflusst haben, füllte die künstliche Intelligenz diese Form mit etlichen musikalischen Vorschlägen im Stil Beethovens auf, von denen Komponist Walter Werzowa die jeweils besten auswählte. Interessant: Die verwendeten künstlichen neuronalen Netzwerke basieren auf der natürlichen Sprachverarbeitung. Man darf also gespannt sein, was dieser „neue Beethoven“ uns zu sagen hat, wenn das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung seines Dirigenten Dirk Kaftan mit Cameron Carpenter an der Orgel den künstlerischen Schulterschluss von Mensch und Maschine feiert und die Telekom, die das Werk anlässlich des Beethoven-Jubiläums in Auftrag gegeben hat, wohl zum ersten Mal eine Verbindung zu einem Unsterblichen herstellt.
Die Uraufführung findet am 9. Oktober im Forum der Telekom in Bonn statt. Über den Sender #dabeiTV auf MagentaTV sowie kostenlos bei MagentaMusik 360 wird das Event live ausgestrahlt. Im Anschluss steht es kostenlos bei MagentaMusik 360 und MagentaTV zum Abruf bereit.
BMG veröffentlicht das Album „Beethoven X – The AI Project“ weltweit am 8. Oktober als CD und Stream/Download (ebenfalls in Dolby Atmos) auf allen digitalen Plattformen.
Eine erste Hörprobe zu Beethovens zehnter Sinfonie: