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Highlights der Saison 2024/2025 – Südwest und Hessen

Weltuntergänge und andere Katastrophen

Frank Armbruster stellt seine persönlichen Highlights der kommenden Saison vor.

vonFrank Armbruster,

Die Oper wird ja häufig totgesagt. Das Publikum sei überaltert, überhaupt gebe es viel zu wenig Innovation. Stets aufs Neue, so der Vorwurf, würden die immergleichen Repertoirestücke von der „Zauberflöte“ bis zum „Rosenkavalier“ programmiert. Zeitgenössisches? Das wird schon mal in Auftrag gegeben und mit viel Aufwand in Szene gesetzt, verschwindet aber mangels Publikumsinteresse nach ein paar Aufführungen in den Schubladen. Was also tun? Ein Mittel könnte darin bestehen, verborgene Schätze des Repertoires zu heben. Das Hessische Staatstheater Wiesbaden etwa startet gleich mit einem Knaller in die neue Saison: „Le Grand Macabre“ ist das einzige Bühnenwerk György Ligetis, ein mit allerhand Zitaten aus der Musikgeschichte gespicktes Spektakel, in dem die Opernkonventionen lustvoll gegen den Strich gebürstet werden. Das Personal ist größtenteils durchgeknallt in dieser Story um einen missglückten Weltuntergang. Als da sind: korrupte Minister und irre Polizisten, ergänzt durch ein liebestolles Paar und eine antike Göttin. Die Regie hat Pınar Karabulut, Premiere ist am 28. September.

Jonas Kaufmann singt Arien von Giacomo Puccini, dessen Todestag sich zum hundertsten Mal jährt.
Jonas Kaufmann singt Arien von Giacomo Puccini, dessen Todestag sich zum hundertsten Mal jährt

Finstere Häuser, lüsterne Nonnen

Das Staatstheater Mainz dagegen bringt mit Philip Glass’ „The Fall of the House of Usher“ nach Edgar Allan Poes gleichnamiger Schauererzählung einen großen Klassiker der Minimal Music auf die Bühne, der auf jeden Fall über den Vorteil einer mehrheitsfähigen Tonsprache verfügt. Ob sich das Geheimnis um das finstere Haus lüften wird? Die Premiere am 14. Februar wird es ­zeigen.

Paul Hindemith zählt zu jenen Komponisten, die zwar in jedem Buch über Musikgeschichte stehen, deren Werke aber gleichwohl eher selten aufgeführt werden. Das gilt auch für die Kurzoper „Sancta Susanna“, die die Staatsoper Stuttgart für die neue Saison in der Performanceversion von Florentina Holzinger programmiert hat. Die Produktion um die junge, ihre Sexualität entdeckende Nonne Susanna, letzten Mai bereits in Schwerin gezeigt, wird in Stuttgart mit einer Triggerwarnung annonciert: Die Aufführung zeige „explizite sexuelle Handlungen, Selbstverletzung sowie Darstellungen und Beschreibungen von (sexueller) Gewalt.“ Wer es dennoch wagen will: Premiere ist am 5.Oktober.

Spielt in Stuttgart Werke von Beethoven: Alice Sara Ott
Spielt in Stuttgart Werke von Beethoven: Alice Sara Ott

In der Oper Frankfurt sind sogar fünf der insgesamt elf Premieren weniger bekannte Werke. Darunter Albéric Magnards „Guercœur“ (2.2.), Adolphe Adams „Le Postillon de Lonjumeau“(2.3.) und Aribert Reimanns „Melusine“. Letztere dreht sich um ein zwischen Fisch und Frau angesiedeltes verführerisches Zwitterwesen, das am Ende in einer Katastrophe untergeht (6.6.).

Repertoireprobleme wie die Oper kennt die klassische Konzertszene kaum. Auch da ist Zeitgenössisches zwar selten vertreten, die Auswahl an bedeutenden Werken aber insgesamt derart groß, dass sich auch Solisten in der Regel auf eine Auswahl von Komponisten beschränken. Das gilt vor allem für das Klavier, wo die Werke Beethovens für die meisten Pianisten zum Pflichtprogramm gehören. In der Meisterpianistenreihe der SKS Russ in Stuttgart tritt in der neuen Spielzeit nach längerer Pause wieder die eminent musikalische Alice Sara Ott auf und stellt am 25. Februar drei Sonaten Beethovens einige Nocturnes von John Field gegenüber. Anders als viele glauben, war es nämlich der Ire Field und nicht Chopin, der die Gattung Nocturne begründet hat! Neben etablierten Größen wie Grigory Sokolov (1.4.) und András Schiff (17.10.) fällt in der hochkarätig besetzten Stuttgarter Reihe noch ein Name auf: Hayato Sumino. Unter dem Künstlernamen „Cateen“ hat der Japaner, 2021 immerhin Halbfinalist beim Chopin-Wettbewerb, auf Youtube über eine Million Abonnenten. Die Klavierszene mischt er auch insofern auf, als er bei seinen Recitals neben klassischen Werken auch eigene Kompositionen und Arrangements spielt, bei seinem Recital in der Stuttgarter Liederhalle am 14. Januar wird das unter anderem eine Transkription von Ravels berühmtem Boléro sein.

András Schiff kommt im Oktober nach Stuttgart mit einem Überraschungsprogramm
András Schiff kommt im Oktober nach Stuttgart mit einem Überraschungsprogramm

Man mag das bedauern, doch auch in der klassischen Musikszene ist Storytelling mittlerweile ein wichtiger Marketingfaktor geworden. Was Musiker tun oder welches Image sie pflegen, brennt sich nun mal leichter ins Gedächtnis ein als Interpretationen, und so dürfte sich ein Teil von Igor Levits Bekanntheit neben seinem exzeptionellen Klavierspiel auch seinem politischen Engagement verdanken. Kein Wunder also, dass Levit auch in der nächsten Saison in vielen Städten zu hören ist, darunter auch Freiburg, wo er am 18. Oktober im Konzerthaus den Kammermusikzyklus eröffnet. Ganz allein mit seiner überirdisch schönen Stimme ist dagegen Jonas Kaufmann berühmt geworden. Und wer den derzeit vielleicht berühmtesten aller Tenöre mit einem Preziosenprogramm hören möchte, der sollte am 17. Oktober in den Mannheimer Rosengarten kommen, wo ihn die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz bei einem Programm mit Arien von Giacomo Puccini begleitet: „Nessun dorma“ wird mit Sicherheit auch dabei sein. Wer es verpasst: Zwei Tage später singt er dasselbe Programm im Konzerthaus Freiburg und am 22. Oktober dann in der Alten Oper Frankfurt. Nicht von Nachteil dürfte auch sein, wenn man über einen berühmten Namen verfügt. So wie Geiger Michael Barenboim, der mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn am 25. März in Karlsruhe Werke von Pärt, Hartmann und Tschaikowsky spielt.

Inszeniert in Wiesbaden „Le Grand Macabre“: Pınar Karabulut
Inszeniert in Wiesbaden „Le Grand Macabre“: Pınar Karabulut

Neuer Name, bewährtes Orchester

Zum Schluss noch ein Blick in den Süden. Zunächst nach Reutlingen, wo die Württembergische Philharmonie unter ihrer neuen Chefdirigentin Ariane Matiakh deutlich an Profil gewonnen hat. Auch in der neuen Spielzeit wartet das Orchester mit einer ambitionierten Programmatik auf: das Konzert am 30. Juni mit Werken von Koechlin, Ravel und Debussy etwa würde auch Spitzenorchestern alle Ehre machen. Und ganz im Süden der Republik hat die Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz ihren Sitz, die ab September 2024 einfach Bodensee Philharmonie heißen wird. Mit Arthur Honeggers Eisenbahnepos „Pacific 231“ geht es für das neu getaufte Orchester am 20. September los. Mit Volldampf sozusagen.











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