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Klassik meets Jazz: Debussys „Golliwogg’s Cakewalk“

Zusammenkunft in Paris

Erstmals begegnen sich die europäischen Kunstmusik und der Jazz in Claude Debussys „Golliwogg’s Cakewalk“ – in einer Zeit, als der Jazz-Begriff in Europa noch niemandem je untergekommen war

vonJohann Buddecke,

Die Tatsache, dass zahlreiche Komponisten ihrer Zeit mit ihren Werken mitunter weit voraus waren, mag heute niemanden mehr so richtig beeindrucken. Dass aber so manch ein europäischer Tonschöpfer Klänge in seinen Stücken verwendete, von denen zu seinen Lebzeiten noch niemand in Europa gehört hatte, verwundert dann aber auch die neunmalklugen Musikexperten. Einer dieser außergewöhnlichen Fälle ist Claude Debussys „Golliwogg’s Cakewalk“ aus der Pianosuite „Children’s Corner“, dessen Werkgeschichte auf die Weltausstellung von 1900 in Paris zurückgeht.

„Golliwogg’s Cakewalk“

Obwohl der Jazz noch in den Kinderschuhen steckte, der Begriff an sich in der Musikwelt noch überhaupt keine Rolle spielte und das neue Genre zudem noch keine nennenswerten Kompositionen, abgesehen von einigen wenigen heute noch bekannten Ragtimes wie „The Entertainer“ von Scott Joplin, hervorgebracht hatte, schnappte Debussy die ersten in Europa gespielten Klänge der neuartigen afroamerikanischen Musik in einem der Pavillons auf dem Pariser Weltausstellungsgelände auf. Und war fasziniert.

Claude Debussy: "Golliwog's Cake Walk" aus "Childrens's Corner". Handschrift von 1908
Claude Debussy: „Golliwog’s Cake Walk“ aus „Childrens’s Corner“. Handschrift von 1908 © gemeinfrei

Welchem künstlerischen Motiv Debussy dann in der seiner Tochter Emma-Claude gewidmeten Ragtime-Komposition „Golliwogg‘s Cakewalk“ nachging, den gerade erst in den Südstaaten Amerikas aufkeimenden Jazz in seinen Werken einfließen zu lassen, lässt sich heute nur schwer nachvollziehen. Sicher ist, dass sich viele französische Komponisten gegen den Einfluss Richard Wagners wandten, dem künstlerischen Vermächtnis ihres konservativen Landsmannes César Franck aber auch nicht folgen wollten. Paris bot ihnen da als kulturelles Zentrum Europas den kreativen Freiraum, sich aufgeschlossen den Einflüssen anderer Kulturen zu öffnen – Debussy setzte sich an die Spitze dieser Bewegung.

Dem Wagner eins auswischen!

Dass die andersartige afroamerikanische Musik überhaupt nicht in das Bild der zu der Zeit von Wagner geprägten europäischen Kunstmusik passen wollte, ihre Interpreten zudem als „exotisch“ galten, muss Debussy schließlich dazu animiert haben, dem Erbe des erzkonservativen Richard Wagner einen – wenn auch ironisch gemeinten – Seitenhieb zu verpassen. Dazu zitierte er im Mittelteil von „Golliwogg’s Cakewalk“ die ersten Töne aus Wagners „Tristan und Isolde“, ohne jedoch in den signifikanten Tristan-Akkord zu münden – Wagner hätte sich mit Sicherheit mächtig geärgert…

Mit „Golliwogg’s Cakewalk“ schuf Debussy den Prototyp der Auseinandersetzung zwischen afroamerikanischer Musik und europäischer Kunstmusik. Eine Tradition, die bis heute ein fester Bestandteil der laufenden Musikgeschichte geblieben ist.

Claude Debussys Einspielung des Golliwogg’s Cakewalk“ auf einer Welte-Mignon Piano Roll von 1913:

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