Lässig im Anzug, stets einen charmanten Spruch auf den Lippen – so trat Leonard Bernstein bei seinen inzwischen legendären „Young People’s Concerts“ stets vor die Musiker der New Yorker Philharmoniker. Das Konzertformat war so simpel wie genial. Das Orchester im Hintergrund, Bernstein als Moderator im Zentrum des Geschehens. Das Ziel: dem Publikum die Welt der Musik greifbar machen. Bernstein war in seinem Element.
Nicht nur das Publikum im New Yorker Lincoln Center, welches 1962 zur Stammspielstätte der Konzertreihe wurde, hing gebannt an seinen Lippen, auch Millionen von Fernsehzuschauern in den USA schauten dem charismatischen Bernstein bei seinen Ausführungen und Erklärungen rund um die Klassiker der Musikgeschichte zu. Sein Auftreten begeisterte Jung und Alt und war letztlich so erfolgreich, dass man die Sendungen synchronisiert in über vierzig Ländern über den Äther schickte.
Mit den „Young People’s Concerts“ trat Leonard Bernstein erstmals als Musikvermittler in Erscheinung – eine Rolle, die er in seiner langjährigen Karriere mit ebenso leidenschaftlichen Engagement verfolgte wie die des Dirigenten oder des Komponisten. Zudem war es eine Tätigkeit, die er im Zuge der Konzertserie fortlaufend perfektionierte, wobei ihm sein einzigartiges Gespür für Entertainment in die Karten spielte. So konnte er im Handumdrehen komplizierte musikalische Phänomene mit einfachen Beispielen am Klavier für nahezu jedermann verständlich darstellen. Dabei schreckte er nicht vor Beispielen aus der Popmusik zurück, sang ungeniert Rocksongs von den Beatles und den Kinks auf der Bühne oder spielte Boogie Woogie. Durch seine wenig akademische Wcortwahl und den häufigen popkulturellen Bezügen gelang es ihm, Berührungsängste beim Publikum abzubauen und Interesse auch bei denjenigen zu wecken, die sich bis dato nicht mit klassischer Musik befasst hatten. Kurzum: Leonard Bernstein begeisterte die Massen.
Vom Fernsehbildschirm auf das Universitätspodium
Erstmals moderierte er die bereits 1924 ins Leben gerufene Konzertreihe im Jahr 1958, als er Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker wurde. Sogar nach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Jahr 1969 blieb er seinen treuen Zuschauern noch drei weitere Jahre bei den „Young People’s Concerts“ erhalten. Doch auch anschließend ließ ihm seine Rolle als Musikvermittler keine Ruhe.
Im Jahr 1973 hielt Bernstein im Rahmen einer Gastprofessur eine sechsteilige Vorlesungsreihe an der renommierten Harvard University, die als „Norton Lectures“ große Bekanntheit erlangte. Für Bernstein selbst war die Vortragsreihe regelrecht ein Mammutprojekt, da er, der einst selber unter Strawinsky, Copland und Hindemith Student in Harvard gewesen war, sich in der Nachfolge dieser großen Künstlerpersönlichkeiten betrachtete.
Unbeirrt trotz Rückschlag: Leonard Bernstein
Während der Vorlesungen, die zunächst den Werktitel „The Unanswered Question“ von Charles Ives trugen, referierte er akribisch über Musik im Kontext zur Ästhetik, Poesie und Linguistik, wodurch er einen Mehrwert für musikalisch unerfahrene Menschen erzielen wollte. An seine einstigen Erfolge konnte er jedoch nicht anknüpfen, in der Musikszene wurde er gar für seine angebliche Pseudowissenschaftlichkeit kritisiert – ein Rückschlag für Bernstein, zumal er nie den Anspruch gehabt hatte, allzu akademische Vorträge zu halten.
Dennoch machte er unbeirrt weiter, zu wichtig schien ihm die Aufgabe, die Musik einem breiten Bevölkerungskreis zugänglich zu machen. Wann immer sich ihm die Gelegenheit bot: Bernstein ließ keine Möglichkeit aus, seinen Zuschauern oder Schülern die Musik näherzubringen – ob auf professioneller Ebene oder einfach um Interesse bei denjenigen zu wecken, denen die klassische Musik bisher verborgen geblieben war.
Leonard Bernstein singt Popsongs bei den „Young People’s Concerts“: