Dass sich das Konzertrepertoire zum Best-of-Gedudel hin verenge, hört man immer wieder die Unken des Betriebs maulen. Zwar mögen sie Recht haben, doch gibt es auch immer wieder Initiativen, die den drögen Mechanismus der hasenfüßigen Dramaturgen zu durchbrechen versuchen, den auf Wiederholung geeichten Musikgeschmack zu bedienen und damit erst zu zementieren. In Braunschweig, vergleichsweise nicht eben reich mit großen Söhnen gesegnet, kümmert sich das Louis Spohr Musikzentrum großartig um die Ehrenrettung seines Komponisten, der wohl wie kein zweiter um seine Reputation betrogen wurde.
Das frühreife Bürschchen trat bereits mit 15 Jahren in höfische Dienste und war so begabt, dass es mit zwanzig im Leipziger Gewandhaus debütieren konnte. Seine später entstandene „Violinschule“ wurde zum Klassiker und wird von manchen Lehrern bis heute benutzt. In reiferen Jahren reüssierte der bejubelte Geigenvirtuose in Kassel, vor allem aber in Gotha als Konzertmeister und „deutscher Paganini“. Dabei ist Louis Spohrs musikalisches Erbe weitaus größer, doch sein Ruf als Komponist war nur zu Lebzeiten weit verbreitet und ging bereits im 19. Jahrhundert vollständig unter angesichts des von Spohr nicht besonders geschätzten Übervaters Beethoven und seiner Nachfolger Schumann und Mendelssohn, deren Urteile Spohrs Musik gegenüber bestenfalls ambivalent erscheinen. Der Versuch, sich aus den Zwängen der Wiener Klassik zu befreien und neue Wege zur Romantik einzuschlagen, hielt dem zuweilen harten Urteil seiner Nachwelt nicht stand; die Nazis verboten sogar die Oper „Jessonda“ wegen ihres aufklärerischen Charakters.
Symposium im Louis Spohr Musikzentrum
Dass Spohr über sein berühmtes und viel gespieltes Nonett hinaus auch ein begabter Kammermusikkomponist war, versucht das Louis Spohr Musikzentrum mit einem hochkarätig besetzten Symposium zu bekräftigen. Insbesondere seine Werke für Streicherbesetzung von vier bis acht Spielern sind eine Wiederentdeckung wert. Eine schwere Aufgabe angesichts des Konzertmarktes, der diese Musikform nicht gerade belohnt. Aber auch darum geht es bei dem Symposium, das von Konzerten mit Spohrs Musik flankiert wird. Wer also endlich einmal Neues hören möchte – der fahre nach Braunschweig. Es lohnt sich.
Hören Sie hier Louis Spohrs Sinfonie Nr. 6 mit dem Niederländischen Radio Kammerorchester unter der Leitung von Ton Koopman:
concerti-Tipp:
Louis Spohr: Werk und Wirkung
Fr. 26.10.2018, Altstadtrathaus
18:00 Uhr
Begrüßung durch Dr. Helmut Blöcker und Christian Fröhlich
18:15 Uhr
Vortrag Michael Kube (Würzburg/Tübingen): Louis Spohrs Kammermusik im zeitgenössischen Kontext
20:00 Uhr
Eröffnungskonzert: Trio Meritis. Werke von Beethoven, Spohr und Mendelssohn
Sa. 27.10.2018, Altstadtrathaus
10:00 Uhr
Vortrag Karl Traugott Goldbach (Kassel): Quellen- und Überlieferungsprobleme der frühen Kammermusik Louis Spohrs
10:30 Uhr
Vortrag Nancy November (Auckland/NZ): Die Streichquartette von Beethoven und Spohr. Ein Vergleich
11:30 Uhr
Vortrag David Koch (Luzern): Zur Rezeption von Spohrs Streichquintetten
12:00 Uhr
Vortrag Ronald Dürre (Magdeburg): Das Streichsextett op. 140. Musikgeschichtlicher Präzedenzfall und Impuls für das Streichsextett op. 18 von Johannes Brahms
14:00 Uhr
Vortrag Hartmut Becker (Karlsbad): Louis Spohrs Doppelstreichquartett op. 87
14:30 Uhr
Vortrag Wolfram Boder (Kassel): Louis Spohrs Kammermusik im Briefwechsel mit seinen Verlegern
15:30 Uhr
Vortrag Peter Horton (London): Christian Wessel and the Publication and Performance of Spohr’s Chamber Music for Strings in London in the 1840s and 50s
16:00 Uhr
Vortrag Martin Lücke (Berlin): Die aktuelle Situation der Streicherkammermusik aus Sicht des Musikmanagements
16:30 Uhr
Vortrag Peter Ruzicka (Hamburg): Die Streicherkammermusik im 20. und 21. Jahrhundert
17:00 Uhr
Abschlussdiskussion
20:00 Uhr
Abschlusskonzert: Minguet Quartett. Werke von Ruzicka und Beethoven