Als Marcus Creed 2003 die Stelle des Chefdirigenten des SWR Vokalensembles angeboten bekam, hätte er fast abgelehnt. Als ehemaliger Leiter des RIAS-Kammerchors hatte der gebürtige Brite gerade eine Professur in Köln angetreten und wollte vorerst nicht mehr als Chorleiter tätig werden. Doch die Verlockung, dauerhaft mit einem der weltbesten Profichöre zusammenzuarbeiten, war zu groß. Creed trat seine neue Stelle an und schärfte in den folgenden 17 Jahren das Profil des Klangkörpers wie wohl kein Dirigent zuvor. Mit seiner großen Erfahrung im Bereich der Neuen Musik eröffnete er dem Vokalensemble eine bestechende Vielfalt von Klangräumen. Dokumentiert werden diese unter anderem durch eine Länderporträt-Reihe mit Chormusik des 20. und 21. Jahrhunderts, die jüngst in einer CD-Box zusammengefasst wurde. Doch auch mit Werken der Alten Musik stellte Creed seinem Ensemble ein Qualitätszeugnis für höchste kammermusikalische Klangkultur aus.
Madrigale des Frühbarock feiern das Leben
Bevor der 69-Jährige nun seinen Staffelstab als Chorleiter an den israelischen Dirigenten Yuval Weinberg weiterreicht, wird er in zwei Abschiedskonzerten mit Madrigalen und Motetten des Frühbarock „Von der Kunst zu Leben“ künden. Werke von Heinrich Schütz, Johann Michael Bach, John Wilbye u. a. stehen dann auf den Programm – allesamt entstanden in Zeiten großer Entbehrungen durch Kriege, Seuchen und politische Willkür. Möge, wer möchte, Parallelen zur Gegenwart ziehen. Creed jedenfalls tut das, was er immer tut: Er blickt nach vorne auf seine vielleicht etwas ruhigere Zeit als Ehrendirigent, zu dem das SWR Vokalensemble seinen langjährigen Leiter am zweiten Konzertabend in Dankbarkeit auszeichnen wird.
Abschiedskonzerte mit Marcus Creed
Sa., 25.7.2020, 18:00 Uhr oder 20:30 Uhr, Stiftskirche Stuttgart
SWR Vokalensemble
Marcus Creed (Leitung)
Programm:
„Von der Kunst zu Leben“: Madrigale und Motetten des Frühbarock von Heinrich Schütz, Johann Michael Bach, Johann Hermann Schein, Thomas Tomkins, Thomas Weelkes und John Wilbye