So verschieden die Chöre sind, so mannigfaltig sind auch die Werdegänge ihrer Dirigenten. Im vierten Teil unserer Serie „Mein Weg zur Chorleitung“ stellen Ihnen Matthias Schlier, Jan Christof Scheibe und Joana Toader ihren ganz persönlichen Weg zu ihrem Traumberuf vor.
Matthias Schlier
Katholische Kirchenmusik, Basilika St. Emmeram Regensburg
Ich habe als Kind mit Klavier und Orgel angefangen. Wenn man wie ich auf dem Land aufgewachsen ist, führt die Orgel unweigerlich erstmal zur Kirchenmusik. Das Fach habe ich zusammen mit „Musiklehrer für Klavier“ in Regensburg studiert, später noch Orchesterleitung in Trossingen. Im Kirchenmusikstudium singt man in einem sehr guten Ensemble und übt intensiv das Chorleiten. Das unvergleichliche Gemeinschaftsgefühl dort und die emotionale Arbeit mit Menschen, die das Singen ja beinhaltet, waren für mich entscheidend.
Chorprobe ist für mich Vermittlung von dem, was sich der Komponist vielleicht gedacht hat, und von eigenen Gefühlen. Und genau darin liegt der Kern von Kirchenmusik: Menschen emotional erreichen, ihnen etwas mitgeben. Wenn das gelingt, fördert es die eigenen Glücksgefühle. Ich leite seit 1990 den Chor der Basilika St. Emmeram. Bis in die 2000er-Jahre haben wir in Pflege der Regensburger Tradition sonntags eine Chormesse alter Meister gesungen. Das ist beim Kirchenvolk nicht mehr jeden Sonntag der Renner. Wir singen also auch Irish Blessings, neuzeitliche Lieder, populäre Musik und zeitgenössische Werke von Karl Jenkins oder David Lang.
Auf Schloss Thurn und Taxis, das zu St. Emmeram gehört, können wir – passend zur Liturgie – auch mal ein Mozart- oder Cherubini-Requiem machen. Eine Kooperation mit der Musikschule ermöglicht uns Konzerte mit größeren Oratorien auf dem Programm. Gerade unsere jungen Chormitglieder lieben diese Mischung aus Klassik und Moderne.
Jan Christof Scheibe
Leiter des Chores Heaven Can Wait
Ich bin im Musikbereich ja ein ziemlicher „Hans Dampf in allen Gassen“, aber der Heaven Can Wait Chor ist der erste Chor, den ich leite. Dabei war mein Vater Kirchenorganist und Kantor. Ich habe damals in sämtlichen Kinder- und Jugendchören bei ihm „Dienst geschoben“. Habe ich mich dann aber später gegen klassische und für die Pop-Musik entschieden, weil ich dort mehr Gestaltungsmöglichkeiten finde.
2013 wollte ich am St. Pauli Theater mit dem Intendanten Thomas Collien einen Abend mit betagten Artisten machen. Daraus wurde ein Programm mit alten Sängern – und ein Dauerhit: Der Heaven Can Wait Chor, in dem seine Mitglieder – alle im Alter von 70 bis 96 Jahren – mit all ihrer Lebenserfahrungen und Altersweisheit die Lieder der Enkel-Generation schmettern. Ein Song wie „Sie ist weg“ von den Fantastischen Vier bekommt aus dem Mund eines älteren Menschen eine völlig neue Bedeutung. Das ist ein wirklich inklusiver Ansatz, denn ein Dialog zwischen den Generationen kann nur stattfinden, wenn man die Sprache derer spricht, mit denen man reden will. Zusammen mit der coolen, jungen Band und der professionellen Lichtshow agiert der Chor im Rahmen eines echten Rockkonzerts.
Im Laufe der Jahre entstanden hier tiefe Freundschaften, und eine gegenseitige Toleranz und Hilfsbereitschaft, die ich in diesem Alter außergewöhnlich finde. Die Sängerinnen und Sänger sind schon seit fast zehn Jahren mit so viel Leidenschaft, Herzblut und Mut bei der Sache, dass wir unsere Erfahrungen nun auch in der neu gegründeten Heaven Can Wait Akademie weitergeben möchten.
Joana Toader
Leiterin zweier Gospelchöre
Bis zum Abitur hatte ich Geigen- und Klavierunterricht, privat und auch schulbegleitend an der Hochschule Lübeck. Damals wollte ich Orchestermusikerin werden, doch ein Bandscheibenvorfall hat diese Karriere jäh unterbrochen. Über Umwege kam ich beruflich wieder zur Musik zurück. Erst habe ich Klavierunterricht gegeben, dann bin ich in den Gospelchor Ashausen „wings of faith“ eingetreten.
Ich entdeckte meine Stimme und die Lust am Singen. Als professionelle Backgroundsängerin von Pop- und Show-Bands machte ich erste Erfahrungen in der Chorleitung. Ich lernte zu arrangieren und Menschen anzuleiten, ihre Stimme zu nutzen. Jahre später habe ich wieder bei „wings of faith“ gesungen und dort dann die Leitung übernommen. Dirigieren habe ich nicht gelernt, mit meinen Händen arbeite ich intuitiv. Aber es kamen immer mehr Chöre zu mir: vom Jugend- und Frauenchor bis zur Pop- und Rockformation leite ich nun eine Reihe von Gesangsensembles, unter anderem den Gospelchor Lüneburg.
Wichtig finde ich, stets eine gute Balance zwischen Traditionals, klassischen Gospels und modernen Liedern in dieser Tradition zu finden. Wenn man ein breites Publikum erreichen will, sollte man auch ein paar Hits im Repertoire haben.