Für viele Komponisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Einschnitt der Nazidiktatur doppelt fatal: Vom Regime verfemt, blieben sie auch häufig nach dem Krieg unaufgeführt, weil sich schlicht niemand mehr ihrer erinnerte. Prominentes Beispiel ist etwa Erich Wolfgang Korngold, der erst in den 1980er-Jahren wiederentdeckt wurde. Dabei ging es beileibe nicht nur den jüdischen Komponisten so, sondern auch vielen anderen, die mit Berufsverbot belegt oder sogar ermordet wurden. Kuratiert von Musikern allerersten Ranges, bemüht sich der Berliner Verein „musica reanimata“ seit 1990 in beispielloser Form um die Reintegration der Werke von verfolgten Komponisten in das Repertoire des heutigen Konzertlebens. Er veranstaltet wissenschaftliche Konferenzen und Gesprächskonzerte, die teilweise auch im Radio gesendet werden. Seine Forschungsergebnisse publiziert er regelmäßig sogar in einer Zeitschrift. Eines der tragischen Beispiele ist Henriëtte Bosmans.
Henriëtte Bosmans: Pianistin und Komponistin von Weltformat
1929 wurde ihr Concertino für Klavier und Orchester bei den VII. Weltmusiktagen in Genf aufgeführt, bis 1935 entstanden zahlreiche Kammermusikwerke. Als „Halbjüdin“, die überdies auch mit Frauen liiert war, durfte sie während der deutschen Besatzung ab 1942 allerdings nur noch bei illegalen „Schwarzen Konzertabenden“ musizieren und ging unter Lebensgefahr in den antifaschistischen Widerstand. Zugleich rettete sie ihre Mutter – wohl unter Fürsprache des Dirigenten Willem Mengelberg – vor dem sicheren Tod im Konzentrationslager.
Beide Eltern waren Musiker gewesen, so dass sich das Talent Bosmans’ sehr schnell gezeigt und ihr in früher Jugend wichtige Auftritte verschafft hatte. 1895 geboren, hatte sie schon mit 17 Jahren die internationale Konzertbühne betreten und begann wenig später auch zu komponieren, vor allem Lieder und Celloliteratur. Viel Zeit für die Rehabilitierung blieb ihr nach 1945 nicht: Bereits sieben Jahre nach der Befreiung starb Bosmans an einem Krebsleiden.
Ihr Gesamtwerk als Komponistin blieb relativ schmal, denn sie konnte nur neben ihrer Karriere als Pianistin und Klavierlehrerin eigene Musik schreiben. Umso wichtiger, dass es in Berlin nun wieder ans Tageslicht kommt.