Um 1985 bemühte man sich nicht nur in Garmisch-Partenkirchen, sondern auch im oberbayerischen Marquartstein um die Gründung eines Richard-Strauss-Festivals. Aber dort zerschlugen sich die Pläne trotz Zuspruchs des im nahen Markt Grassau lebenden Münchner Generalmusikdirektors Wolfgang Sawallisch: Der Olympia-Ort Garmisch hatte bessere Voraussetzungen für Konzerte. Nachdem Sawallisch bei den Münchner Opernfestspielen 1988 alle fünfzehn Opern von Richard Strauss in dessen Heimatstadt als weltweit beachteten Zyklus gespielt hatte, gab es im Jahr darauf die ersten Strauss-Tage in Garmisch. Dort hatte der Komponist 1908 mit den Tantieme-Einnahmen aus der in Marquartstein komponierten Skandal-Oper „Salome“ eine Villa erworben. Weil deren Innenräume für das Bühnenbild von Strauss’ biografischer Ehekomödie „Intermezzo“ in Dresden 1924 kopiert wurden und Strauss in Garmisch starb, wurde der Ort, wo sich heute auch das Richard-Strauss-Archiv und eine Gedenkstätte befinden, bekannter als die Villa de Ahna in der Burgstraße 6 von Marquartstein.
Das Haus gehörte Strauss’ Schwiegereltern, dem bayerischen Generalmajor Adolf de Ahna und dessen Ehefrau Marie. Neben der „Salome“ entstanden dort die Oper „Feuersnot“ sowie die das turbulente Eheglück mit der resolut-eigenwilligen Pauline, geb. de Ahna, ausmalende „Sinfonia domestica“. Außerdem vertonte dort Strauss für Pauline viele Lieder, darunter „Breit über mein Haupt“, „Morgen!“ und „Cäcilie“. Am 10. September 1894 führte der Komponist seine Muse und lebenslang geliebte Frau wenige Monate nach der in Weimar gemeinsam bestrittenen Uraufführung des Opernerstlings „Guntram“ – sie sang die weibliche Hauptpartie der Freihild, er dirigierte – in der Burgkapelle St. Veit zum Traualtar. Deren Glocken hängen heute in der 1936 geweihten katholischen Pfarrkirche Zum kostbaren Blut im Ortszentrum nahe dem Endbahnhof der 1885 in Betrieb genommenen und 1968 eingestellten Lokalbahnstrecke zwischen Übersee und Marquartstein.
Besuch bei Richard Strauss
Ein Besuch des Luftkurorts, in dem Strauss während der Sommermonate als international gefragter Dirigent Ruhe zum Komponieren suchte, lohnt sich, selbst wenn die Villa de Ahna sich heute in Privatbesitz befindet, kein Museum enthält und nur noch eine Tafel an die Aufenthalte des „letzten Romantikers“ erinnert. In den Marquartsteiner Jahren kam 1897 der Sohn Franz zur Welt, 1906 zog sich Pauline Strauss von der Bühne zurück. Bis dahin wanderten viele Briefe zwischen „Marquartstein, Oberbayern. Villa de Ahna“ und Gastierorten des Paars. So schrieb Strauss am „18. Sept. 1904. Abends 1/2 9 Uhr!“ an sein „liebes, liebes Pauxerl“: „Ich wünsche herzlich, daß Du nicht allzuviel Arbeit in der Wohnung vorfindest u. Dich nicht zu sehr plagen mußt, während ich noch dem holden Müßiggang fröhne. Es ist doch recht einsam ohne Dich u. Bubi. Fast mit Wehmut renne ich ohne Dich in der schönen Gegend herum, die bei sehr kaltem Wetter heute in prachtvollster Oktobersonne strahlte.“ Er schloss lapidar: „Meine Reinschrift der ,Salome‘ ist auch schon fertig, fehlen nur noch die letzten Schlußtakte, zu denen ich mir Zeit lasse, damit sie recht gut werden. Die Eltern grüßen bestens.“
Die Villa de Ahna ruht, etwa hundert Kilometer von München entfernt, auf etwa halber Höhe zwischen der Tiroler Ache und dem Burghügel in einem locker gefügten Häuserensemble über der Alten Dorfstraße. Sie zeigt, wie sich vermögende Bürger nach 1880 Sommerfrische-Komfort und Ambiente wünschten. Heute erreicht man den Haltepunkt Marquartstein/Rathaus vom Bahnhof Prien mit der Buslinie 9505 oder vom Bahnhof Übersee mit der Buslinie 9509 (Fahrzeit 25 bis 30 Minuten). Etwa zehn Minuten braucht man bis zur Villa de Ahna und von dort bei stärkerer Steigung weitere acht Minuten zu Burg und Kapelle. Durch das Marquartsteiner Ortszentrum führt eine schmale Straße über die Achenbrücke und vorbei an der Gruppe alter Bauernhäuser um dem aufwändig renovierten „Hofwirth zur Post“ aus dem 14. Jahrhundert. Der weithin sichtbare Hügelvorsprung am Fuß des Hochgern mit der quaderförmigen Burganlage aus dem 12. Jahrhundert ragt eindrucksvoll über den Ort.
Mit dem Fahrrad unterwegs
Landschaftlich reizvolle Radtouren bieten sich von der Zugstrecke München-Salzburg Richtung Marquartstein an, wo sich das enge Achental nach Norden zum Chiemgau öffnet. Eine Tour etwa führt bei geringer bis mäßiger Steigung von Prien entlang der B 305 über Bernau, Rottau und Grassau. Für das erhöhte Verkehrsaufkommen wird man durch vielfältige Panoramen reichlich entschädigt. Der über der Burg Marquartstein sichtbare helle Punkt ist die Kapelle St. Wolfgang auf dem Schnappen (1100m), ein noch höher gelegeneres Kurzausflugsziel als das Windeck (780 m). An beiden beiden Zielen hat man phantastische Aussichten auf Berge und den Chiemgau mit Chiemsee. Vom Hochgern-Parkplatz oberhalb der Villa de Ahna beginnen gut beschilderte und mit festerem Schuhwerk problemlose Wanderwege mit mittlerer Steigung (einfacher Fußweg aufwärts 40 bzw. 80 Minuten). Von dort führt auch der „Richard Strauss“-Höhenweg vorbei an Weiden und Gehöften in das drei Kilometer weiter südlich gelegene Unterwössen mit der Rokoko-Pfarrkirche St. Martin (ca. 45 Minuten). Einheimische erwandern diese kleinen Touren in den schneelosen Jahreszeiten gerne vor dem Frühstück.
Von den Bahnhöfen Bernau am Chiemsee und Übersee an der parallel zur A 8 verlaufenden Zugstrecke München/Salzburg gibt es beschilderte Wander- und Radwege durch die ausgedehnten Moorgebiete Kendlmühlfilzen, Hacken und Rottauer Filzen. Vom Bahnhof Übersee Richtung Osten kommt man auch nach zwanzig Fußminuten an den Dammweg der Tiroler Ache und von dort durch Wald- und Weidelandschaften über die Autokreuzung in Egerndach nach Marquartstein (gemächliche Wanderzeit: zwei Stunden, mit dem Rad 45 Minuten ab Bahnhof Übersee). In Nähe der neuen Fußgängerbrücke von Marquartstein wurde zu Strauss‘ 150. Geburtstag 2014 Walter Angerers Schattenskulptur aus durchbrochenem Stahl mit dem Porträt des Komponisten und seiner Opernfigur Salome samt Kopf des Jochanaan aufgestellt. Die Radstrecke vorbei am Westerbuchberg und Mietenkam über Grassau und Pettendorf bietet die reizvollere Aussicht bei mehr Verkehr. Alle Radwege des Achentals zwischen der A8 und Marquartstein sind mit einfachen Tourenrädern gut machbar.
Die Wege zu Richard und Pauline Strauss im südlichen Chiemgau lassen sich mit kombinierten Fuß-, Rad- und Auto-Exkursionen erkunden. Es empfehlen sich maximal zwei Ausflugsbausteine an einem Tag. Ideale Jahreszeiten sind Frühling, Sommer und Herbst. Der Luftkurort ist geprägt durch das Staatliche Landschulheim, in dem vor 1930 auch Katharina Wagners Tante Friedelind Schülerin war, als Unterricht und Unterkunft noch in der Burg angesiedelt waren. Die Nähe zu Tirol ist in der ganzen Region spürbar: Gäste grüßt man mit „Griaß di“ oder „Servus“. Das erlebten bereits Richard Strauss und Pauline des Ahna.
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