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Musikalische Spurensuche: Südwest

Wo Rhein und Wein so manchen Komponisten inspirierten

Auf einem Wanderweg kann man Johannes Brahms nachspüren – und natürlich erlesene Getränke kosten.

vonJulia Hellmig,

Musik und Wein beflügeln alle Sinne. Gut möglich, dass auch Johannes Brahms dank eines edlen Tropfens manches Mal den richtigen Ton gefunden hat. Fest steht, dass ihn eine bestimmte Weingegend zu einem seiner Meisterwerke inspiriert hat: Im Sommer 1883 komponierte der seine dritte Sinfonie und hat damit eine musikalische Kostbarkeit hinterlassen, die eng mit Deutschlands kleinstem, gleichwohl bedeutendstem Anbaugebiet verwoben ist, nämlich dem Weinbaugebiet Rheingau, das sich über rund 3.000 Hektar westlich von Wiesbaden erstreckt.

Begeistert berichtete Brahms in zahlreichen Briefen an seine Freunde von der Unterkunft, die er ursprünglich nur für einige Tage bewohnen wollte. Sein Quartier befand sich oberhalb von Rüdesheim in der heutigen Straße „Schöne Aussicht 7“. In der zwanglosen Atmosphäre dieses Anwesens fühlte sich der gebürtige Hamburger sofort wohl. An Heinrich von Herzogenberg schrieb er: „Habe eine ganz unglaublich hübsche Wohnung gefunden. Es ist wirklich der Mühe wert und in jeder Hinsicht zu wünschen, dass Sie sie sich ansehen. Ohne Neid können Sie sie sich freilich nicht anschauen – aber tun Sie es doch…“ Oft und gerne wanderte Brahms in die umliegenden Weinberge und ließ sich nur zu gern von dieser Kulturlandschaft inspirieren. Zur Vorgeschichte dieses Aufenthalts im Sommer 1883 gehört seine Freundschaft mit der Familie von Beckerath. Rudolf von Beckerath war Weingutsbesitzer in Rüdesheim und stammte aus einem musikbegeisterten Umfeld.

Geheimniskrämerei in Rüdesheim

Womit sich der Meister im Detail während seiner Zeit in Rüdesheim beschäftigt hat, wusste niemand so genau. Der Vermieterin gab Brahms sogar strikte Anweisungen, niemanden, und sei es auch der beste Freund, in sein Arbeitszimmer einzulassen. Erst nach seiner Abreise am 2. Oktober 1883 erfuhren seine Freunde, dass er die Sommermonate nicht untätig verbracht hat: Brahms hatte in aller Stille seine dritte Sinfonie, die „Wiesbadener Sinfonie“, vollendet, ohne dass jemand davon etwas mitbekommen hatte. Erst sehr viel später schickte der Komponist einen 32-seitigen Brief an die Familie von Beckerath, in dem er sich für seine Geheimniskrämerei entschuldigt hat.

Auf dem Brahmsweg können Besucher ein wenig von dieser unbeschwerten Zeit des Komponisten nachempfinden. Die Tafeln entlang der Wanderstrecke, die um informative sowie unterhaltsame Tagebucheinträge ergänzt sind, zeigen den Schattenriss des Komponisten. Der Weg ist meist recht gut ausgeschildert, und dank des fast andauernden Blicks auf den Rhein und auf die imposante, weithin sichtbare Germania kann man sich nur schwer verlaufen. Falls doch, sollte man sich einfach treiben und die Umgebung des UNESCO-Welterbes auf sich wirken lassen.

Ausgangspunkt ist die Brömserburg an der Rheinstraße. Sie war Zollburg, Rittersitz und Wohnburg der Grafen von Ingelheim. Goethe, Heine, die Gebrüder Grimm, Mendelssohn oder auch Paganini waren hier schon zu Gast. Durch die üppigen Weinberge, wo hauptsächlich der Riesling wächst, führt die Route bergwärts an verschiedenen Aussichtspunkten vorbei, die einen wunderbaren Blick auf den Rhein und Rüdesheim bieten. Nur wenige Rheinkurven flussabwärts verbirgt sich recht unscheinbar die sagenumwobene Loreley, die am besten bei einer Schifffahrt und einem Gläschen Rüdesheimer Kaffee entdeckt werden kann.

Die Loreley lässt sich am besten bei einer Schifffahrt entdecken
Die Loreley lässt sich am besten bei einer Schifffahrt entdecken

Beliebtes Ziel von Brahms, Goethe und Beethoven

Nach einem herrlichen Blick über Ingelheim gelangt man zum Niederwaldtempel, einem beliebten Ziel von Brahms und Goethe, aber auch von Beethoven. 1944 durch einen Luftangriff zerstört, wurde der Tempel 2006 rekonstruiert. Der kurze Abstecher zum Niederwalddenkmal, deren herausragende Figur die Germania bildet, darf auf gar keinen Fall ausgelassen werden. Brahms weilte während der damals spektakulären Fertigstellung des monumentalen Bauwerks in Rüdesheim, das als Andenken an den Deutsch-Französischen Krieg und das nachfolgende deutsche Kaiserreich, das zur ersehnten Einigung Deutschlands führte, errichtet wurde.

Ab dem Restaurant Rebenhaus führt der Weg nur noch bergab. Der Weg kreuzt eine Brücke, die einst zur Zahnradbahn gehörte, mit der Gäste bequem zum Niederwalddenkmal befördert wurden. Ende des 19. Jahrhunderts boomte der Tourismus am Rhein und insbesondere in Rüdesheim, unter anderem dank der Eröffnung des Niederwalddenkmals. 1954 wurde die im Krieg zerstörte Zahnradbahn durch eine Seilbahn ersetzt, mit der die Besucher in der Sommersaison in luftiger Höhe über die Weinberge schweben können.

Auf dem Kuhweg, der früher benutzt wurde, um das Vieh auf das Ebenthal zu treiben, geht es zurück nach Rüdesheim. Der Weg endet am Sekthaus Solter, dem früheren Weingut der Familie von Beckerath. Ein Besuch in Rüdesheim ist aber erst vollständig nach einem Abstecher in die berühmt-berüchtigte Drosselgasse. Mit ihren urigen Weinschenken und den verwinkelten Gässchen rundherum hält sie den anrührenden Charme vergangener Zeiten lebendig.

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