Werke vieler weiblicher Tonschöpferinnen fristen auch 2022 noch ein Nischendasein. In der „Langen Nacht der Komponistinnen“ stellen die Musikfestspiele Sanssouci und der Nikolaisaal Potsdam fünf Künstlerinnen in den Mittelpunkt und laden zu einer „Entdeckungsreise durch drei Generationen weiblichen Komponierens“ in den Nikolaisaal ein, bei der sich Kammermusik und musikalische Lesungen abwechseln.
Die Sängerin und Pianistin Josephine Lang zählt zu den produktivsten Liedkomponistinnen der Romantik. Ihre Werke stießen in der Musikkritik der 1830er-Jahre auf positives Echo, Mendelssohn setzte sich für einzelne Publikationen ein und auch Fanny Hensel, selbst Verfasserin zahlreiche Lieder, lobte Langs Musik als „sinnreich und eigen“. In Potsdam erklingt eine Auswahl aus dem Schaffen beider.
Gleichberechtigte musikalische Bildung für alle
Ihren ersten Walzer soll die Autodidaktin Amy Beach als Kleinkind am Strand komponiert haben. 1883 debütierte die damals Sechzehnjährige jedenfalls als Pianistin in der Boston Music Hall, und eine Profikarriere schien greifbar – doch es folgte die Heirat. Trotz Fremdbestimmung durch ihren Mann komponierte Beach weiter und schaffte es, dass ihre Werke aufgeführt wurden. Nach dessen Tod 1910 ging sie drei Jahre lang auf Europa-Tournee. Zurück in den USA, kämpfte sie unter anderem für die gleichberechtigte Bildung von Musikerinnen und Musikern. Mehr als dreihundert Werke hat die „amerikanische Vorreiterin“ geschrieben, das Orelon Klaviertrio präsentiert einige Trios und Duette.
Grażyna Bacewicz gilt als die bedeutendste polnische Komponistin der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die zudem internationales Renommee erlangte. 1932 besuchte sie die Kompositionsklasse von Nadia Boulanger in Paris, und bis in die Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts war sie als Geigerin in ganz Europa gefragt, was wiederum die Aufführung eigener Werke ermöglichte. Ihre Tonsprache entwickelte sich vom Neoklassizismus über Bi- und Polytonalität bis hin zum Spiel mit leichter Atonalität. Das Streichquartett Baltic Neopolis interpretiert ihr preisgekröntes viertes Streichquartett, entstanden im Mai 1951. Zum Ausklang der Nacht spielt Pianistin Ruizhe Du virtuose Ragtimes der Amerikanerin May Aufderheide.