Manchmal halten sich Fake News mindestens so gut wie wahre Tatsachen im Gedächtnis der Menschen – oder sogar besser. Deshalb wird immer wieder darüber diskutiert, ob Antonio Salieri aus Neid und Eifersucht seinen Konkurrenten Wolfgang Amadeus Mozart vergiftet habe. Nein, sagt die Realität entschieden. Aber es würde doch bestens passen, schwätzt die Küchenpsychologie boshaft. Und darum ist dieser nie geschehene Mord ein Thema bis hin zu Alexander Puschkin geworden, der ihn in „Mozart und Salieri“ behandelt. Seine „Dramatischen Szenen“ wurden von Nikolai Rimski-Korsakow zu einer kurzen Oper „in Form von zwei rezitativisch-arios angelegten Opernszenen“ ausgearbeitet: „Ich war zufrieden mit dem Werk, das für mich etwas ganz Neues bedeutete“, schrieb der Komponist.
Mozart ist darin das unbeschwerte Genie, dem die Erfolge mühelos zufliegen, der und den das Volk liebt. Salieri hingegen ist ein autoritärer Streber, der die Kunst nur mit der sozialen Elite teilen möchte: „Wo liegt die Gerechtigkeit, wenn die göttliche Gabe, / wenn das unsterbliche Genie – nicht als Lohn für brennende Liebe, Selbstaufopferung, / herzliches Bemühen und Gebete verliehen wird?“ Er lädt Mozart zum Essen ein, doch sie kommen einander nicht näher, am Schluss ist Mozart tot und Salieri wird seines Lebens nicht mehr froh. Keine leichte Aufgabe für den jungen Andrej Agranovski, der Schauspiel in München und St. Petersburg studiert hat sowie im Standard- und Lateinamerikanischen Paartanz bei internationalen Turnieren aufgetreten ist.
„Mozart und Salieri“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe
Nun ist er frisch im Ensemble des Badischen Staatstheaters Karlsruhe und wird sich mit Mozart und Salieri dem Publikum als Solist vorstellen. In der Regie von Nils Strunk wird er – wie auch immer – beide Figuren verkörpern, vielleicht ein bisschen singen und selbst Klavier spielen. „Ein humorvoller Ausflug in die Vergangenheit, der die Klassik lebendig werden lässt“, heißt es in der Ankündigung. Vom berühmten Bassisten Fjodor Schaljapin, der in der Uraufführung 1898 in Moskau und in anderen Inszenierungen den Salieri gesungen hatte, ist überliefert, dass er dies ebenfalls 1906 an einem Abend bei Rimski-Korsakow tat – und außerdem die Tenor-Partie des Mozart deklamierte.