Ein regelrechtes Kulturbiotop findet man in Thüringen vor. In Zahlen mag das flächenmäßig elft- und einwohnermäßig zwölftgrößte Bundesland bedingt beeindrucken, und doch ist allein die Orchesterdichte enorm. Neben Weimar, Erfurt und Jena verfügen – unter anderem – auch Gotha, Saalfeld (mit Rudolstadt) und sogar das 20 000-Einwohner-Städtchen Sondershausen über ausgewachsene Sinfonieorchester. Mit Cantus bzw. Capella Thuringia kommen auch zwei herausragende Alte-Musik-Ensembles aus Thüringen, die sich auch, aber nicht nur auf die hiesige Bachtradition berufen. Die wird vor allem bei den Bachwochen fortgeführt, die alljährlich Kapazitäten wie Ton Koopman, Philippe Herreweghe oder Olivier Latry an „authentische Bachorte“ in Deutschlands Mitte locken, wie es das Festival in der Eigenbeschreibung ankündigt. Tatsächlich lässt sich anlässlich des Konzertreigens im März und April nicht nur vorzüglich auf den Spuren des Komponisten wandeln, sondern auch gleichzeitig die schiere Vielfalt der Region erkunden: Nach der Wende aufwändigst herausgeputzt, offenbart Thüringen die schönste Seite von Deutschlands Kleinstaaterei mit prachtvollen architektonischen Zeugnissen von Romanik bis Bauhaus. Ob die Wohnhäuser von Goethe, Liszt und Co., eines der zahlreichen Museen oder die Naturschönheiten des Thüringer Walds und des Saaletals: Hier kann man ganz wundervoll die Wartezeit bis zum Konzert- oder Opernbesuch verkürzen.
Thüringen als Reiseziel trifft obendrein den Zeitgeist der bevorstehenden 49-Euro-Ticket-Ära, denn allen Unkenrufen zum Trotz ist hier das Schienennetz sehr gut ausgebaut, so dass man schnell und vor allem sauber (auch die Bahnhöfe kamen während der Neunziger- und Nullerjahre in den Genuss einer umfassenden Sanierung) durch Thüringen zuckeln kann. Und man kommt mit dem Erfurter Hauptbahnhof als Drehkreuz der Deutschen Bahn auch von allen Ecken Deutschlands problemlos dorthin.