Nur zwei Landeshauptstädte haben eine gemeinsame Stadtgrenze, Mainz und Wiesbaden. Doch unterschiedlicher können die beiden Städte optisch nicht sein. Mainz einst schwer im Krieg zerstört, Wiesbaden dagegen mit einem augenschmeichelnden Erscheinungsbild aus Klassizismus, Historismus und Jugendstil, mit Straßenzügen durchgehend aus denkmalgeschützten Fassaden. Ja, die hessische Landeshauptstadt ist ein Musterbeispiel des Historismus. Die Fußgängerzone sollte man dabei allerdings konsequent umgehen.
Das Staatstheater: Kaiser Wilhelm II., gerne Kurgast in der Bäderstadt, ließ hier Maifestspiele ausrichten, quasi als Klein-Bayreuth gedacht, es gibt sie bis heute. Das Kurhaus: Es zählt zu den prächtigsten Festbauten Deutschlands, Dostojewski verspielte im Casino eine Menge Rubel. Fast alles Sehenswerte ist alt in Wiesbaden, so auch die Nerobergbahn, seit 1888 fährt sie reibungslos mit Wasserkraft-Antrieb.
Auf den Spuren von Brahms und Wagner
Fast zwangsläufig, dass auch die Musik dem Historischen sehr nahe steht. Man kann dorthin pilgern, wo Brahms seine pastorale dritte Sinfonie und Wagner an seinen „Meistersingern“ komponierte, man kann bei den „Wiesbadener Bachwochen“ barocke Konzerte in der wohl schönsten Rokokokirche Hessens, der Christophoruskirche im Vorort Schierstein, oder in der eindrucksvollen Marktkirche im Zentrum erleben.
Und wenn man mit dem Zug anreist, sieht man vom Bahnhof aus schon die Lutherkirche, im Inneren erwartet einen Jugendstil-Ornamentik im Überfluss – und zudem die vielleicht besten zwei Orgeln der Stadt, eine moderne von Klais und eine romantische von Walcker. Doch gibt’s gar nichts Neues, Widerborstiges hier? Immerhin, die Rebellion war hier zuhause: 1962 fanden die ersten „Internationalen Festspiele Neuester Musik“ statt, besser bekannt unter dem Schlagwort „Fluxus“, eine Klavierzertrümmerung erregte Aufsehen – eine Initialzündung für die Kunstwelt, ausgerechnet aus Wiesbaden.