Um das unüblichste, ja innovativste Konzertprogramm zum Jahreswechsel zu erleben, war bzw. ist eine gehörige Portion Sucharbeit vonnöten: Zum einen vom Verfasser dieser Zeilen, der sich unerschöpflich durch die redaktionsinternen Termintabellen durchgearbeitet hat, bis er vor lauter Beethoven, Gershwin und – unangefochtener Spitzenreiter – Strauss die Musik nicht mehr sah. Es müssen aber auch all jene Sucharbeit leisten, die das allerletzte oder eben allererste Konzerterlebnis des Jahres zelebrieren wollen. Die müssen nämlich nach Nürnberg, raus aus dem Hauptbahnhof, rauf auf die Königstraße und eine unscheinbare Lücke zwischen zwei Häusern ausmachen – was selbst mit GPS-Handy eine Herausforderung ist, versprochen.
Dann aber steht man vor der altehrwürdigen St.-Martha-Kirche, wo an Silvester Tango, Jazz und Impressionismus eine eigenwillige, mit Sicherheit aber hoch explosive Liaison eingehen. Auch das Instrumentarium lässt im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen: eine Harfe. Solo. Solch ein breites und vor allem harfenuntypisches musikalisches Spektrum kann eigentlich nur eine Musikerin glaubhaft bestreiten: Evelyn Huber, die schon mit Giora Feidman (Klezmer), Quadro Nuevo (Weltmusik) und vor allem mit Mulo Francel (Jazz, Orientalisches, Südamerikanisches und vieles mehr) zusammenarbeitete respektive -arbeitet.
Doch nochmal zurück zu den drei großen Silvester-/Neujahrsnamen, genauer gesagt zu Beethoven: Dessen neunte Sinfonie, das Werk schlechthin im Niemandsland zwischen Weihnachten und Dreikönigsfest, ist in Bayern mit zwei der angesagtesten Dirigierpersönlichkeiten der jüngeren Generation zu erleben. In der Landeshauptstadt wird Maxim Emelyanychev am Pult stehen, der sein Debüt bei den Münchner Philharmonikern feiert. In Nürnberg wiederum läutet die Staatsphilharmonie gleich fünf Mal das neue Jahr mit der Neunten ein. Die sinfonischen Galas leitet die scheidende Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz, die in den kommenden Jahren als Chefdirigentin des Berliner Konzerthausorchesters deutlich öfter als bislang im sinfonischen Sektor von sich reden machen wird.
In der Münchner Residenz, die für Silvester aus Gründen der Historie (Glanz und Gloria als Kurfürsten-, Herzogs-, Königssitz und kaiserliche Herberge) und der Geografie (direkte Altstadtlage, zahlreiche Möglichkeiten zum Feiern nach dem Konzert) nachgerade prädestiniert ist, finden drei Konzerte statt: allesamt mit Münchner Ensembles besetzt, allesamt voll festlicher Musik und dennoch völlig verschiedenartig. Am Nachmittag lassen die Arcis-Vokalisten zusammen mit L’Arpa festante das Jahr mit Händels „Feuerwerksmusik“ sowie Auszügen aus dem „Messias“ ausklingen. Ebenfalls noch vor den Abendstunden spielt das Ensemble Clemente Werke unter anderem von Vivaldi, Telemann – und Rossini, denn warum soll eine ausgewiesene Barockformation, die das musikantische Lustprinzip über jedweden historisierenden Ernst erhebt, nicht auch mal etwas Belcantoseligkeit wagen? Eine Traditionsveranstaltung ist wiederum das Silvesterkonzert des Münchner Streichquartetts, das im Max-Joseph-Saal wenige Stunden nach dem Ensemble Clemente Haydns „Kaiserquartett“ zum Klingen bringt und damit dem royalen Charakter des Spielorts Tribut zollt. Die vier Musizierenden haben aber auch Walzer von Strauß und Lanner im Gepäck. Es ist ja schließlich Silvester.