Die Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker sind mittlerweile zu einer Institution geworden, ziehen jedes Jahr die größten Dirigenten in die österreichische Hauptstadt und dominieren die Klassikcharts anschließend für mehrere Wochen. Doch auch wenn vielleicht kein Dudamel, Barenboim oder Thielemann den Jahreswechsel in Hessen verbringt, müssen sich die hiesigen Opernhäuser, Konzertsäle und Theater mit ihren unterhaltsamen und kreativen Silvester- und Neujahrsprogrammen in keinster Weise verstecken.
Wiederentdeckte Fantasie und namhafte Komponisten
Na gut, auf einen Klassiker möchte man am Staatstheater Wiesbaden auch zum Jahresende nicht verzichten: Franz Lehárs Dauerbrenner „Die lustige Witwe“. Und warum auch, wurde die Operette doch am 30. Dezember 1905 uraufgeführt und passt perfekt, um beschwingt und heiter zum Vilja-Lied der Witwe Hannah oder dem finalen Liebesduett „Lippen schweigen“ ins neue Jahr zu rutschen. Wer die Silvesternacht in Wiesbaden verbringt (oder in der Nähe wohnt), kann am Neujahrstag gleich wieder in den Genuss hochkarätiger Künstler und eines anspruchsvollen, aber unterhaltsamen Programms kommen – diesmal jedoch im festlichen Ambiente des Kurhauses. Dorthin laden das hr-Sinfonieorchester und Dirigent Felix Mildenberger ein. Als Gast reist die junge Cellistin Raphaela Gromes an und bringt die erst vor Kurzem von ihr wiederentdeckte Fantasie „Hommage à Rossini“ von Jacques Offenbach mit. Außerdem spielt das Orchester die Suite „Les biches“ von Francis Poulenc, Felix Mendelssohns „Italienische“ und die Ouvertüre zu „Der Barbier von Sevilla“ von Rossini selbst.
Während es in Wiesbaden eher gesittet zugeht, wird es in Darmstadt regelrecht animalisch: „Es bellt, sirrt, klappert, fliegt, brummt um uns herum“, heißt es auf der Seite des Staatstheaters. Das Programm wird zwar noch nicht ganz verraten, aber Werke von Gershwin, Saint-Saëns, Tschaikowsky, Smetana und anderen namhaften Komponisten garantieren am Neujahrsabend einen „tierischen Spaß – auch für Vegetarier*innen“.
Ein Hauch von Broadway zum Jahreswechsel
So viel zum beschwingt Heiteren, ja Klassischen. Wer an Silvester und Neujahr mal etwas ganz anderes erleben möchte, sollte erst nach Kassel, dann nach Frankfurt fahren. Hoch im hessischen Norden weht an Silvester ein Hauch Broadway-Glamour. 2009 wurde dort das Musical „Next to Normal“ von Tom Kitt und Brian Yorkey uraufgeführt und heimste zahlreiche Preise wie den Tony-Award und den für Musicals eher unüblichen Pulitzer-Preis ein. Mit seinem Sujet passt es zwar so gar nicht ins Festliche, rückt aber ein ernst zu nehmendes Thema in den Fokus: Diana und ihre Familie versuchen den Alltag zu bewältigen. Zunächst wirkt auch alles „normal“, doch bei genauerem Hinschauen stellt sich heraus, dass Diana an einer bipolaren Störung leidet, und auch ihre Kinder Natalie und Gabe rutschen immer weiter ab. Für die Darsteller wie Aisata Blackman (Diana), die bereits als Whitney Houston und Tina Turner auf der Musical-Bühne stand, eine Herausforderung, die sie doch mit Bravour meistern. Wer also auch an Silvester schwere Kost verdauen kann, sollte einen Besuch in Kassel definitiv in Erwägung ziehen.
Und wer danach immer noch „Hunger“ hat, muss am Neujahrstag in die Oper Frankfurt, denn dort steht Jules Massenets „Werther“ auf dem Programm. Basierend auf Goethes berühmtem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ erzählt die Oper die verzweifelte Liebesgeschichte von Werther und Charlotte. Auch nicht gerade der typische Festtagsstoff, aber auch wenn Werther letztlich stirbt, gibt es doch so etwas wie ein Happy End.