„Strauss, Strauss, nur Du allein?“ Den Eindruck gewinnt man leicht, wenn man sich die Programme der Silvester- und Neujahrskonzerte im ganzen Land anschaut. Johann Strauss und Sohn als sichere Bank für schwungvolle Walzer, Polka, Trinklieder und Arien scheinen alternativlos, wenn es darum geht, gute Stimmung zum Jahreswechsel zu verbreiten. Ein Wiederholungszwang, den man an solchen Feiertagen auch sucht. In diesem Sinne hat denn auch die Staatsoper Hannover ihre beiden Neujahrskonzerte programmiert – und zwar einmal für diejenigen, die auch an Silvester früh zu Bette gehen und tags darauf schon zur Mittagszeit frisch frisiert im Parkett sitzen können, und einmal um 19 Uhr für diejenigen, die die Nacht zuvor dann doch ein bisschen rauschhafter angegangen sind.
Nicht nur im Schunkelmodus
Dass Johann Strauss (Sohn) indes nicht nur dafür taugt, den Schunkelmodus im Publikum auszulösen, will das Theater Wolfsburg beweisen. Es überschreibt sein Neujahrsprogramm mit dem Titel seines Walzers „Freiheits-Lieder“ und würdigt damit die revolutionäre Seite des Wiener Walzerkönigs. Der ursprüngliche Titel lautet nämlich weniger versöhnlich „Barrikaden-Lieder“ und sollte an die Aufstände im Kompositionsjahr 1848 erinnern, die überall in Europa aufbrodelten. Strauss war nicht nur Komponist von Unterhaltungsmusik, sondern auch ein kritischer Beobachter seiner Zeit, der gesellschaftliche wie technische Entwicklungen des 19. Jahrhunderts in seine Musik mit aufnahm. So bereichern auch die „Explosions-Polka“, „Durchs Telephon“ und der Walzer „Telegrafische Depeschen“ das Programm.
Im Bremer Dom erinnert man daran, dass Silvester kirchenjahres-technisch noch Weihnachten ist und beglückt die Menschen mit saisonaler Orgelmusik aus dem französischen Barock. Stephan Leuthold wird die fünf Orgeln des St.-Petri-Doms, darunter eine große Silbermann-Orgel, bespielen. Außerdem wird der letzte Tag des Jahres mit der „Messe de Minuit pour Noël“ von Marc-Antoine Charpentier gefeiert. Unter der Leitung von Tobias Gravenhorst singt und spielt das Concerto Bremen und das Ensemble des Domchores, das auch volkstümliche französische Weihnachtslieder interpretiert. Und nochmal Geistliches in einer Bremer Kirche: Der RathsChor Bremen bringt Joseph Haydns selten zu hörendes Oratorium „Il ritorno di Tobia“ zu Gehör.
Silvesterliches von der Opernbühne
Im Stadttheater Bremerhaven begrüßt man das neue Jahr mit der Würdigung der Klarinette. „Klarinettissimo“ stellt das populäre Instrument mit all seinen musikalischen Facetten ins Scheinwerferlicht. Gleich zwei Solisten, das israelische Klarinettenduo Daniel und Alexander Gurfinkel, beeindrucken mit virtuosen Arrangements, Gershwins „Rhapsody in Blue“, Klezmer-Musik und mit Werken des Klarinetten-Liebhabers Mozart.
Silvesterabende sind die Tage im Jahr, an denen das Herz der Operettenliebhaber höherschlägt. Denn irgendwo gibt es immer eine „Fledermaus“ oder eine „Zirkusprinzessin“ in der Nähe zu besingen. Opernfans dagegen müssen sich intensiver umschauen. Sie könnten – auch zusammen mit Opern-Hassern – sich mal die Opern-Show von „The Cast“ in Peine anschauen. Sechs Vokalartisten und ein Pianist katapultieren ausgewählte Arien mit Humor und Sketchen auf eine moderne Kleinkunstbühne. Auch dort darf man schunkeln.