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Staatstheater Mainz: „No. 50 (The Garden)“

Wer in seinem Garten zu tief gräbt

Mit seinem Konzert No. 50 (The Garden) schickt Richard Ayres einen Sinnsucher in die Hölle.

vonSören Ingwersen,

Ein Brummer summt, ein Frosch quakt und alles mündet in einem Ländler, in dem die Instrumente wie auskomponierte Stolpersteine klingen. Willkommen im „Garten“ des britischen Komponisten Richard Ayres, der seit drei Jahrzenten in den Niederlanden lebt und in dieser Zeit ein beachtliches und fein säuberlich durchnummeriertes ­Œuvre von Orchesterwerken hervorgebracht hat. Mit „No. 50 (The Garden)“ machte Ayres im Jahr 2018 die halbe Hundert voll und punktet hier wie in den meisten seiner Stücke mit einer berückenden Vielfalt an Klangfarben, großem Gespür für dramatische Gestaltung und einer emotional fesselnden Durchdringung des zugrundeliegenden Stoffes.

In diesem Fall handelt es sich um Dantes „Göttliche Komödie“, wobei Ayres auch Texte von Edgar Allan Poe, Christina Rossetti, William Shakespeare und Giacomo Leo­pardi dem ausführenden Sänger in den Mund legt. Dass ein Bass hier die Stimmen sämtlicher Figuren singt, unterstreicht den respektlosen, humoristischen Charakter des Werks, das – angesiedelt zwischen Live-Hörspiel und Melodram – einen durchaus düsteren Kern in sich trägt: Auf der Suche nach dem Sinn seiner Existenz beginnt ein Mann in seinem Garten zu graben, bis er den Mittelpunkt der Erde erreicht und damit schnurstracks in der Hölle landet. Er flieht den Ort, indem er sich wieder nach oben gräbt – diesmal stößt er bis in den Himmel vor.

„No. 50 (The Garden)“: reale Handlung oder Fantasiewelt?

Neben Dantes berühmten Abstieg in die Unterwelt waren es auch die Gemälde von Hieronymus Bosch, die Ayres mit ihren grotesken Figuren zu seinem habszenischen Konzert inspirierten. Die Musik erinnert mit ihrer kargen, bissigen Instrumentierung streckenweise an Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“, angereichert mit einem elektronischen Soundtrack und Klangverfremdungen, die den theatralischen Gehalt des Werks wirkungsvoll unterstreichen. Der Komponist selbst lässt die Hörer im Unklaren darüber, ob sie hier zu Beobachtern einer realen Handlung, eines Traum oder einer Fantasiewelt werden: „Ist der Mann wirklich wach, schläft er, oder ist er sogar tot?“, fragt Richard Ayres. Auf jeden Fall handelt es sich um das Porträt eines Einsamen, ähnlich wie in „No. 42 (In the Alps)“, jenem theatralischen Konzert, in dem der Komponist von einem Mädchen erzählt, das auf dem Gipfel eines Berges ausgesetzt wurde.

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