Nein, über seine Musik wolle er nicht sprechen, sagte György Ligeti gleich zu Beginn unseres Interviews 2003 in Hamburg. „Stellen Sie interessantere Fragen.“ Warum dann die Aufsätze über das eigene Werk? „Ich wurde gezwungen“, entgegnete er mit schelmischem Blick. Im Pullover saß er da mit zerzauster Frisur, strich sich immer wieder die Haare ins Gesicht, so, als wolle er nicht gesehen werden. Doch der skeptische Zug um die vollen Lippen sprach eine eindeutige Sprache. Dies war kein Mann, der sich etwas vorschreiben ließ oder an große Ideen oder Ideologien glaubte. Nazismus und Stalinismus hatte er am eigenen Leib erlebt. Vater und Bruder waren im KZ ermordet worden. Er selbst musste nach dem Volksaufstand 1956 aus seiner Heimat Ungarn fliehen. Hier in Deutschland wunderte er sich über die Verherrlichung des Kommunismus seitens vieler Intellektueller und verachtete die Studentenbewegung, „diese modischen 68er mit Adorno, Habermas, Marcuse“. Freunde machte er sich damit nicht in den oft von Linksintellektuellen dominierten Feuilletons. Einmal musste er lesen: „Ligeti ist ein Spion der CIA“.
Nahezu unbewegliche Musik
Auch als Komponist entzog er sich der Musik-Avantgarde, die alles zum Dogma, zur Doktrin machte. Tief geprägt war er von der ungarischen Sprache und von Béla Bartók und fand doch zu eigener Klangsprache. „Klangfarben-Kompositionen“ nannte man „Apparitions“ (1958/59) oder „Lontano“ (1967) – seltsam zauberhafte Konglomerate aus Elektronik und Debussy, in denen aller Rhythmus, alle Harmonik in einem Klangmeer aufgelöst scheinen. Nahezu unbewegliche Musik, die dennoch innere Bewegung ahnen lässt. „Atmosphères“ (1961) und „Lux aeterna“ (1966) brachten ihm Ruhm, wenn auch kein Geld ein als Soundtrack von Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Um Ligetis Musiktheater „Aventures“ (1961) oder dem „Poème symphonique“ für 100 Metronome (1962) entbrannten heftige Diskussionen. Gestört hat es ihn nicht. Sein Oppositionsgeist und Hang zu Polemik führten nicht zu Selbstgefälligkeit. Seine Oper „Le Grand Macabre“ hielt er „für einen Schwächeanfall, einen Fehltritt“. „I don’t Iove my music“, sagte er in Abwandlung von Strawinskys berühmtem „I love my music“. Und verabschiedete sich dennoch mit den Worten: „Ich muss jetzt komponieren“.