Das Blatt eines Baumes ist Sinnbild der eigenen Hoffnung. Fällt das Blatt herunter, ist jede Zuversicht erloschen und das Leben nicht mehr lebenswert. So beschreibt Wilhelm Müller in seinem Gedicht Letzte Hoffnung die Gemütsstimmung des namentlich nicht genannten Wanderers in seinem Zyklus Winterreise, den Franz Schubert ein Jahr vor seinem Tod so kongenial vertonte. In der „Welt des Liedes“, die Bariton Thomas Hampson bei seinem zweitägigen Besuch im 2022 eröffneten Casals Forum der Kronberg Academy sanglich umarmen möchte, darf dieser berühmteste unter den romantischen Liederzyklen natürlich nicht fehlen. Zugleich wollen Hampson und sein nicht minder prominenter Klavierpartner Christoph Eschenbach nun erstmals auch mit der Gattung des Kunstlieds zeigen, was sich in Kronberg längst herumgesprochen hat: dass die Akustik des neuen Saals auch die menschliche Stimme in kristalliner Klarheit weiterträgt.
Diese Erfahrung dürfte das Publikum am zweiten Tag ebenso machen, wenn ausgesuchte Stipendiaten der von Thomas Hampson geleiteten Heidelberger Frühling Liedakademie sowie junge Pianisten der Kronberg Academy in einem Lied-Rezital die Früchte ihrer Arbeit kredenzen, die zuvor im öffentlichen Meisterkurs mit Hampson sozusagen abgefallen sind. Früchte, die – ganz im Gegensatz zum fallenden Blatt bei Schubert – Hoffnung machen. Namentlich auf eine erfüllende Karriere, die sich bei vielen der jungen Ausnahmetalenten schon jetzt abzuzeichnen beginnt.