Wenn es um kirchenmusikalische Konzerte in der Osterzeit geht, führt auf den ersten Blick kein Weg an Johann Sebastian Bachs Passionen vorbei. Sie dominieren die Aufführungspläne von Kirchen und Konzertsälen, ihr musikalischer Reiz ist unbestritten. Über Jahrhunderte hinweg haben aber auch zahlreiche weitere Komponisten in Kantaten, Oratorien und solistischen Instrumentalwerken ihre ganz eigenen Passionserzählungen geschaffen.
Gleich drei dieser musikalischen Osterwunder schenkt die Lautten Compagney Berlin ihrem Publikum. Beim hauseigenen Osterfestival in der Hauptstadt stehen drei Meisterwerke auf dem Programm: Telemanns „Brockes-Passion“, Carl Philipp Emanuel Bachs Oratorium „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ sowie Carl Heinrich Grauns „Der Tod Jesu“. Letztere Komposition war nach ihrer Uraufführung über 130 Jahre hinweg fester Bestandteil des Jahresprogramms der Sing-Akademie zu Berlin, die als Vokalensemble beim Festival in zwei Oratorien vertreten ist.

Von Barock über Romantik bis Frühmoderne
Dass Passionen kein reines Phänomen des Barock sind, zeigt ein weiteres außergewöhnliches Werk: Oskar Gottlieb Blarrs „Jesus-Passion“. 1985 unter seiner Leitung uraufgeführt, verbindet Blarr in seiner Musik freie Atonalität mit jüdisch-orientalischen Tonskalen und kombiniert Bibelverse mit Texten aus dem Talmud und moderner jüdischer Lyrik – ein spannender Versuch, dem Geschehen auch geografische und kulturelle Authentizität zu verleihen. Die Hauptkirche St. Michaelis in Hamburg wagt sich an diese beeindruckende moderne Interpretation.
Preziosen der Chorliteratur
Auch Franz Liszt, einst Inbegriff des gefeierten Klaviervirtuosen, fand in seiner späteren Schaffensphase zur geistlichen Musik. „Via crucis“, sein Werk über die vierzehn Stationen des Kreuzwegs Jesu, steht in München auf dem Programm: Der Chor des Bayerischen Rundfunks unter Peter Dijkstra kombiniert Liszts eindringliche Tonsprache mit „The Little Match Girl Passion“ des Pulitzer-Preisträgers und Komponisten David Lang. Dieses basiert auf Hans Christian Andersens Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern und weitet den Blick auf eine weltliche Form der Leidensgeschichte.

Aber nicht nur im deutschsprachigen Raum fand die Passion ihren musikalischen Ausdruck. Die französische Kirchen- und Orgelmusik erlebte zwischen dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine Blütezeit. André Caplet etwa vertonte in „Le Miroir de Jésus“ fünfzehn Gedichte von Henri Ghéon – eine bewegende Nacherzählung des Lebens Jesu aus der Sicht Mariens, die bis zu deren himmlischen Krönung reicht. Anlässlich des 100. Todestag Caplets erklingt dieses Werk in der Salvatorkirche Duisburg. Marcel Duprés „Symphonie-Passion“ behandelt in vier Sätzen ebenfalls das Leben und Wirken Jesu – allerdings in einem monumentalen solistischen Orgelstück. Michael Riedel debütiert hier als neuer Lorenzkantor in Nürnberg.
Wer dennoch nicht ganz auf seinen Bach verzichten will, kann sich in Köln von Ton Koopman inspirieren lassen Mit dem Gürzenich-Orchester führt er im Kölner Dom Bachs „Markus-Passion“ auf. Deren Musik ist zwar verschollen, doch anhand des Librettos ließen sich Arien rekonstruieren.