Carl Orff gilt heute als einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Doch befasst man sich mit Leben und Werk des gebürtigen Münchners, merkt man schnell, dass er alles andere als ein klassischer Komponist war. Obwohl es ein langer Weg zu seinem eigenen Stil war, hatte Orff mehr zu bieten als „nur“ Musik: Das Theater hat ihn immer angezogen, Tanz und Sprache nahmen für ihn hohen Stellenwert ein. Das sieht man auch in seinem bekanntesten Werk, der „Carmina Burana“.
Orff, der am 10. Juli 1895 geboren wurde, wurde früh musikalisch gefördert. Seine Mutter Paula, selbst Pianistin, gab dem Fünfjährigen seinen ersten Musikunterricht. Zwei Jahre später begann Carl Cello zu spielen. Auch an der Orgel versuchte er sich zeitweise. Die Schule beendete Orff mit nur sechzehn Jahren und begann unter dem Eindruck von Richard Wagner sein Musikstudium.
Früh interessierte er sich für die Musik Claude Debussys und dessen Verwendung von Musikinstrumenten fremder Kulturen. Schnell entdeckte er den Gong für sich und baut ihn in viele seiner Kompositionen ein. Auch Richard Strauss zählte zu seinen musikalischen Vorbildern. Doch während sich Orff bis 1914 noch der musikalischen Avantgarde zugehörig sah, wandte er sich kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs radikal davon ab und befasste sich mit den alten Meistern und dem Theater.
In den Bearbeitungen von Claudio Monteverdis Werken machte sich bei Orff erstmals eine eigene musikalische Sprache bemerkbar, die in Vertonungen literarischer Vorlagen von Hölderlin und Shakespeare mündete. Vor allem mit seinem neuartigen Musiktheater „Antigonae“, 1949 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt, begeisterte er Publikum und Kritiker gleichermaßen. Orff gelang es, mit modernen Gestaltungsmitteln das Mystische und Historische wieder aufleben zu lassen, so wie es bereits Igor Strawinsky vor ihm geschafft hatte.
Carl Orff: Komponist und Pädagoge
Als Orff das Tanztheater kennenlernte, ergab sich für ihn eine logische und untrennbare Symbiose aus Tanz, Musik und Sprache. Aus diesem ganzheitlichen Klangbewusstsein heraus gründete er 1924 mit der Gymnastik- und Tanzpädagogin Dorothee Günther in München die Güntherschule, eine Ausbildungsstätte für Gymnastik und Tanz für Kinder. Daraus resultierte das „Orffsche Schulwerk“, das es Kindern leicht machen soll, sich zu Rhythmen zu bewegen und zu tanzen – und das bis heute als Grundlage des Musikunterrichts dient.
Nicht nur schrieb er fünf große Lehrwerke über das „Orffsche Schulwerk“, sondern komponierte in diesem Rahmen auch Musik für Kinder, die „Orff-Kompositionen“, und etablierte mit dem Instrumentenbauer Karl Maendler die „Orff-Instrumente“. Zu ihnen zählen etwa Glockenspiele, Schlagwerk, Schellen, Kastagnetten oder Klanghölzer. Sie förderten nicht nur das Gefühl und Verständnis von Musik, sondern weckten in den Kindern auch ein Interesse am Musikmachen.
„Carmina Burana“
„Fortuna hatte es mit mir gut gemeint, als sie mir einen Würzburger Antiquariatskatalog in die Hände spielte, in dem ich einen Titel fand, der mich mit magischer Gewalt anzog: Carmina Burana“, schrieb Carl Orff über die Entdeckung der Benediktbeurer Handschrift. 1934 bekommt er das Buch geschickt, das lateinische und deutsche Liedtexte und Gedichte aus dem 13. Jahrhundert beinhaltet.
Nur drei Jahre später feierten die „Carmina Burana“ in Frankfurt am Main ihre Uraufführung und sind bis heute nicht nur Carls Orffs bekanntestes Werk, sondern gehören weltweit zu den beliebtesten Stücken der Musikgeschichte. Orff selbst spürte die Sprengkraft seiner Komposition und zog fast sein ganzes, bis dahin entstandenes Werk zurück: Die „Carmina Burana“ wurden sein Opus 1.
Orchester à la Gustav Mahler
Wäre sie in diesem Jahr zu Orffs 125. Geburtstag wohl noch häufiger als sonst aufgeführt worden, machte das Corona-Virus auch diesen Jubiläumsfeierlichkeiten einen Strich durch die Rechnung. Dabei wäre es gerade bei Carl Orff spannend gewesen, die verschiedenen Facetten und Stilrichtungen seines Schaffens kennenzulernen. Auch wenn einige seiner Werke wie „Antigonae“, „Oedipus der Tyrann“ oder „Prometheus“ mit ihrer Vielzahl an Instrumenten die orchestralen und räumlichen Möglichkeiten eines Gustav Mahler sprengen, war er ein Komponist, bei dem es sich besonders lohnt, einen genaueren Blick auf sein Schaffen zu werfen.