Als „gefühlvolle Jauche“ bezeichnete – ausgerechnet – Richard Strauss seine Musik. „Vulgär-Töner“, spottete George Bernard Shaw. „Cinemascope-Epik“ und „Musik, an der nur Spießer Gefallen finden können“. Sergej Rachmaninow liebte nun mal die glänzenden Klangfarben, das Pompöse, die große Geste, weshalb seine Musik, die „aus dem Herzen kam und zu Herzen ging“ (Rachmaninow), das „gemeine Volk“ und besonders Hollywood begeisterte. Doch ein Komponist, der in Zeiten, in denen die Musikrevolution Schönbergs bereits in der Luft hing, noch ungeniert tonal komponierte und an der Romantik festhielt, erschien vielen verdächtig. „Ich schätze diesen Mann sehr, er hat grandiose Filmmusik geschrieben“, kommentierte Strawinsky abschätzig eine Musik, die tatsächlich oft zum Soundtrack von Hollywoodblockbustern wurde. Dabei entsprach das wortkarge asketische Auftreten Rachmaninows als Pianist und sein distanzierter, „sachlicher“ Interpretationsstil gar nicht dem Glamour-Image der Filmstadt.
Mit einem einzigen Klavier-Prélude (cis-Moll, op. 3) war er 1893, kaum zwanzig, über seine russische Heimat hinaus berühmt geworden. Ein Geniestreich, wenn man bedenkt, dass Rachmaninow als Kind die Stunden beim Tonsatzlehrer Sergej Tanejew als quälend langweilig empfand und als Student am Moskauer Konservatorium lieber als kettenrauchender Dandy durch die Häuser zog, statt zu arbeiten – ganz wie sein Vater, der einst die Landgüter der Mutter verschleudert hatte. Das Prélude wurde in Amerika zu Rachmaninows trademark. Kaum eine Sterbe- oder Aufruhr-Szene im Stummfilm kam mehr ohne die donnernden Akkorde aus. Dennoch ging der Komponist leer aus, weil er sich die Rechte nicht gesichert hatte. Zutiefst gekränkt reagierte er allerdings, als seine 1. Sinfonie 1897 bei der Uraufführung in St. Petersburg unter Alexander Glasunow bei der Kritik durchfiel. „Modernistisch, banal, armselig in ihrer thematischen Erfindung und krankhaft pervers in ihrer Harmonik“ sei sie, eine der „sieben Plagen Ägyptens“ (Cesar Cui). Selbst der Kommentar, dass aus ihm auch „ein zweiter Brahms werden“ könne, half nicht. Auf den Rat von Freunden suchte Rachmaninow den Psychiater Dr. Dahl auf, der ihm über Hypnose jeden Tag suggerierte: „Sie werden ein neues Konzert schreiben … Es wird hervorragende Musik sein.“ Rachmaninows 2. Klavierkonzert wurde tatsächlich ein riesiger Erfolg. Er widmete es seinem Arzt.
Mit Ausbruch der bolschewikischen Oktober-Revolution 1917 bekam es der Sohn einer Gutsbesitzerin, der obendrein auf einem Landgut wohnte, mit der Angst zu tun. Als er hörte, dass die Roten Revolutionäre die Gutsbesitzer massakrierten, verließ er noch vor Weihnachten 1917 das Land – mit 500 Rubel in der Tasche und der Partitur von Rimsky-Korsakows Coq d’Or. Lange hat man ihm in der Sowjetunion die Übersiedlung nach Amerika nicht verziehen, ihn als Abtrünnigen beschimpft.
Als Konzertpianist international erfolgreich: Sergej Rachmaninow
In Amerika hingegen feierte er phänomenale Erfolge als Konzertpianist. Doch dies konnte ihn nicht von seiner zunehmenden Podiumsangst befreien oder seine strenge Selbstkritik mildern. 39 seiner insgesamt 45 Werke entstanden noch vor 1917. „Ich habe mich in meinen Kompositionen nie darum bemüht, originell, romantisch, national oder irgend etwas anderes zu sein. Ich bringe das, was ich in mir höre, so getreu wie möglich zu Papier. Ich bin ein russischer Komponist, und meine Heimat hat mein Temperament und meine Anschauungen geprägt. Meine Musik ist Ausdruck meines Temperaments, und also ist sie russische Musik.“
Im Gegensatz zu anderen Russland-Emigranten wie Horowitz, Milstein oder Strawinsky nahm er erst in seinem letzten Lebensjahr die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Er starb in Beverly Hills und wurde auf dem Kensico-Friedhof in Valhalla nahe New York begraben, wo auch Anne Bancroft, Danny Kaye und die Eltern von Robert De Niro liegen.