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Zum Tod von Aribert Reimann

Ringen um den richtigen Ton

Der wichtige deutsche Gegenwartskomponist Aribert Reimann ist am Mittwoch im Alter von 88 Jahren gestorben.

vonJan-Hendrik Maier,

Schon früh hatte Aribert Reimann seine musikalische Sprache gefunden und sich von den in den 1950er Jahren vorherrschenden Linien der Darmstädter Schule abgehoben: Dialektik anstatt strikter Vorgaben, größtmögliche Freiheit lautete die Devise. Meisterlich beherrschte er das im Vorjahrhundert modern gewordene Handwerkszeug aus Zwölftonmusik, serieller Techniken, Mikropolyfonie und Cluster. Und obgleich er an strengen Formen festhielt, vermied Reimann „traditionsbeladene Gattungen“ wie Sinfonie und Streichquartett.

Zeitlebens arbeitete der Sprössling einer Berliner Musikfamilie – der Vater war Kirchenmusikprofessor und Leiter des Berliner Domchores, die Mutter Sängerin – mit führenden Künstlern zusammen. Dietrich Fischer-Dieskau regte ihn etwa zu seiner Oper „Lear“ an, die mit dem legendären Bariton in der Titelpartie 1978 uraufgeführt wurde und Reimann zum Durchbruch als Opernkomponist verhalf. Bis heute findet sich der Avantgarde-Klassiker regelmäßig auf den Spielplänen der großen Häuser. Empathie und Humanität zeichneten sein Bühnenschaffen aus. 2017 wurde an der Deutschen Oper Berlin sein letztes Musiktheaterstück „L’Invisible“ uraufgeführt.

Aribert Reimann: Weltliteratur im Opern-Gewand

Obgleich sich Reimann nie als politischer Komponist verstanden hatte, setzte er sich mit den zentralen Themen seiner Zeit musikalisch auseinander und bediente sich dabei häufig der großen Weltliteratur. Selbstkritisches Ringen um den richtigen Ton statt bloßes In-Musik-Setzen der Texte zeichneten seine Arbeit aus. Als einer der ersten Komponisten vertonte er etwa Gedichte von Paul Celan. Neben zahlreichen Lied- und Bühnenwerken hinterlässt Reimann ein umfangreiches Instrumentalschaffen, darunter zwei Klavierkonzerte und ein Gidon Kremer gewidmetes Violinkonzert.

Als Professor für zeitgenössisches Lied gab der passionierte Pianist zunächst an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg (1974-1983), später an der Berliner Hochschule der Künste (1983-1998) sein Wissen an nachfolgende Sängergenerationen weiter.

Für seine künstlerischen Verdienste wurden Reimann zahlreiche Preise verliehen, darunter das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und der deutsche Theaterpreis „Der Faust“. Noch im Februar 2024 nahm er in Berlin den Deutschen Musikautor:innenpreis der GEMA entgegen.

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