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Zum Tod von Seiji Ozawa

Seiji Ozawa ist tot

Der große japanische Dirigent und Komponist Seiji Ozawa ist am Dienstag im Alter von 88 Jahren gestorben.

vonJan-Hendrik Maier,

Mehr als ein halbes Jahrhundert arbeitete er mit den renommiertesten Klangkörpern zusammen. Fast die Hälfte seiner Karriere, von 1973 bis 2002, war er dabei Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra, dem er zu weltweiter Anerkennung verhalf. In Europa, wo er bereits in jungen Jahren bei den Salzburger Festspielen dirigierte, hatte er anschließend die gleiche Position an der Wiener Staatsoper inne. 2010 zog er sich in Folge eines Krebsleidens von der Bühne zurück, nur drei Jahre später trat er wieder öffentlich auf. Fünfzig Jahre nach dem ersten gemeinsamen Konzert ernannten ihn die Berliner Philharmoniker 2016 zu ihrem Ehrenmitglied.

Eigentlich wollte Ozawa, geboren am 1. September 1935 als Sohn japanischer Einwanderer im heutigen Nordosten Chinas, Pianist werden. Mit vierzehn brach er sich jedoch beim Rugby mehrere Finger, was einer späteren Laufbahn am Klavier ein frühes Ende bereitete. Stattdessen schickte ihn seine Mutter ins Sinfoniekonzert – und der junge Seiji verliebte sich in die dortige Klangwelt. Nach dem Abschluss des Dirigier- und Kompositionsstudiums an der privaten Toho Musikschule in Tokio gewann er 1959 den ersten Preis beim Internationalen Dirigentenwettbewerb von Besançon. Charles Münch lud ihn daraufhin zur Sommerakademie ins amerikanische Tanglewood ein, wo er gleich den nächsten Preis einheimste. Auf Vermittlung eines befreundeten Schauspielers erhielt der 31-jährige Ozawa ein Stipendium bei Herbert von Karajan. Der Einfluss des Lehrers auf seinen „Lieblingsschüler“ wurde besonders in der Art der Bewegungen am Pult deutlich. Entscheidende Impulse gingen auch von Leonard Bernstein aus, dem Ozawa von 1961 an in New York assistierte. Der Grundstein war für eine Weltkarriere also gelegt. Die ersten Verantwortungsstationen führten ihn nach San Francisco, Chicago und Toronto.

Seiji Ozawa: „Energiebündel“ und Advokat für die zeitgenössische Musik

Mit seiner stupenden Technik, überaus präzisen Vorstellungen von Tempo und Dynamik, aber eben auch menschlicher Wärme wurde das „Energiebündel“ Seiji Ozawa von Orchestern und Solisten in aller Welt geschätzt. Bis heute ist seine Pultkunst auf mehr als vierhundert Einspielungen nachzuhören.

Obgleich im gesamten Repertoire zuhause, setzte sich Ozawa zeitlebens für die zeitgenössische Musik ein und hob etwa György Ligetis „San Francisco Polyphony“ und Olivier Messiaens Oper „Saint François d’Assise“ aus der Taufe. Sein Wissen gab er überdies mit großem Herzen an den Nachwuchs in Tanglewood weiter, ebenso kostenlos in der von ihm gegründeten International Academy Switzerland in Genf. Am Dienstag starb Seiji Ozawa mit 88 Jahren in Tokio.

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