Als Anton Bruckner, damals Domorganist in Linz, im Jahr 1865 mit der Komposition seiner ersten Sinfonie begann, ahnte er sicher nicht, dass ihn seine „Erste“, heute als Linzer Fassung bezeichnet, beinahe zwanzig Jahre später noch einmal beschäftigen würde. Grund hierfür war nicht die Unsicherheit, die Bruckners künstlerisches Schaffen zeitlebens bestimmte und die häufig – durch vermeintlich gutmütige Freunde, oder bösartig gestimmten Kritiker angeregt – Änderungen seiner Partituren nach sich zog, sondern Bruckners wachsender internationaler Erfolg.
Langer Weg zur Anerkennung
Nachdem die Uraufführung unter der persönlichen Leitung Bruckners im Mai 1868 lediglich zum Achtungserfolg wurde, wohlgemerkt aber vom späteren Bruckner-Feind Eduard Hanslick weitestgehend positiv aufgenommen, verlangte der Dirigent und Bruckner-Förderer Hans Richter Mitte der 1880er Jahre nach dem bahnbrechenden Erfolg der siebten Sinfonie die Partitur zur Wiederaufführung.
Bruckner, von der Idee angetan, entschied sich jedoch, seinem Erstling, den er aufgrund des etwas beschwingten Charakters „keckes Beserl“ nannte, zunächst einer Überholung zu unterziehen. In der 1891 uraufgeführten und heute nach ihrem Entstehungsort benannten Wiener Fassung trifft so der sinfonische Spätstil Bruckners eindrucksvoll auf das Werk des noch jungen Sinfonikers.
Später Erfolg der Linzer Erstfassung
Nachdem die Wiener Fassung durch Richters Wiederaufführung große Erfolge feierte, gelang selbige in den Druck – die Linzer Erstfassung hingegen geriet weitestgehend in Vergessenheit und wurde erst Mitte der 1930er Jahre wiederveröffentlicht. Wie es Mathias Husmann in seinen Präludien fürs Publikum treffend beschreibt, steht heute nun jeder Dirigent vor dem Dilemma, welche Fassung als die von Bruckner intendierte Version gilt. Was bei den übrigen Sinfonien Bruckners diversen Musikwissenschaftlern bis in die Gegenwart Kopfzerbrechen bereitet, ist bei der ersten Sinfonie leichter zu beantworten. Beide Fassungen entstanden frei von Einflüssen anderer Personen, sodass sich beide Fassungen im Konzertrepertoire etabliert haben.
Die wichtigsten Faken zu Anton Bruckners Sinfonie Nr. 1
Orchesterbesetzung
2 Flöten (eine 3. Flöte im langsamen Satz), 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, 3 Pauken, Streicher
Aufführungsdauer: 50 Minuten
Die Uraufführung fand am 9. Mai 1868 in Linz statt. Die Wiener Fassung wurde am 13. Dezember 1891 uraufgeführt.
Referenzeinspielung
Bruckner: Sinfonie Nr. 1
Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester
Günter Wand (Leitung)
RCA Red Label (Sony)
Gemeinsam mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester erarbeitete sich Günter Wand den bis heute anhaltenden Ruf zu den bedeutendsten Bruckner-Dirigenten zu gehören. Seine kompromisslose Auffassung von Werktreue, die in dieser Einspielung der Wiener Fassung aus dem Jahr 1982 besonders zur Geltung kommt, wurde für sämtliche nachfolgenden Dirigentengenerationen zum Maßstab.