Fällt ein Genie vom Himmel oder darf es reifen und wachsen? Während ein Johannes Brahms durch die Unterstützung von Robert Schumann schon im Alter von zwanzig Jahren erstmals eine Komposition veröffentlichen konnte und früh Anerkennung erfuhr, war Anton Bruckner ein Spätzünder. 1865 war er dem von ihm sehr verehrten Richard Wagner begegnet und besuchte ihn 1873 in Bayreuth. Dort hatte der sehr mit Festspielvorbereitungen beschäftigte Meister die Widmung der dritten Sinfonie angenommen, sich jedoch kaum weiter für ihn eingesetzt. Als die Uraufführung dieses Werks 1877 durchfiel, war Bruckners Renommee stark beschädigt. Auf die Uraufführung der vierten Sinfonie 1881 folgt eine große Lücke: Bruckner ist es in den Folgejahren nicht geglückt, seine fünfte oder sechste Sinfonie in einem Konzert der Öffentlichkeit zu Gehör zu bringen. Erst Bruckners siebte Sinfonie brachte die Wende.
Mit der Wagnertuba: Bruckners siebte Sinfonie
Mathias Husmann schreibt zu dieser Fügung in seinen „Präludien fürs Publikum“: „Arthur Nikisch hatte 1873 in Wien als Geiger bei den Philharmonikern die Zweite mitgespielt und sich den Namen Bruckner gemerkt. Nun war er Dirigent in Leipzig und brachte mit dem Gewandhausorchester die Siebte zur Uraufführung.“ Von Sachsen aus trat das Werk seinen Weg um die Welt an. Den großen Erfolg der Aufführung in München unter Hermann Levi nahm Bruckner zum Anlass seine Siebte König Ludwig II. zu widmen. Bereits für das Jahr 1886 sind drei Aufführungen in Übersee (Boston, New York und Chicago) dokumentiert. Und es hat sicher mit diesem Erfolg zu tun, dass von der Sinfonie nur eine einzige Fassung vorliegt. Gerade für Bruckner, der alle seine Großwerke mehrfach revidiert hat, ist das sehr untypisch.
Zu besonderer Berühmtheit hat es das Adagio gebracht, in dem Bruckner, wie im vierten Satz das Werkes, die sogenannten „Wagnertuben“ verwendet, die der Meister für den Ring des Nibelungen konstruiert hatte. Als Bruckner von Richard Wagners Tod erfuhr, der am 13. Februar 1883 in Venedig verstorben war, hatte er den langsamen Satz in einer ersten Fassung bereits abgeschlossen. Nun komponierte er einen Klagegesang als zweite Coda, deren Beginn in der Partitur mit einem „x“ markiert ist. Zur Werkgeschichte gehört auch, dass dieser oft als „Trauermarsch für Richard Wagner“ bezeichnete langsame Satz am 1. Mai 1945 im Anschluss an die Verkündigung von Hitlers Selbstmord im Reichsrundfunk gespielt wurde – auf des Diktators eigenen Wunsch hin.
Dem Publikum vermittelt
Bis heute ist Bruckners siebte Sinfonie eine seiner meistgespielten Sinfonien und in allen Konzertsälen der Welt heimisch. Man kann aber nur darüber mutmaßen, warum der Durchbruch erst mit diesem Werk gelang, hatte Bruckner doch seinen Stil bereits in früheren Sinfonien gefunden. Festzuhalten ist aber, dass die ungewöhnlichen Ausmaße seiner Sinfonien und die wellenartigen Steigerungen in weiten Bögen dem Publikum erstmals vor der Uraufführung der Siebten in Einführungsvorträgen vermittelt wurde. Man kann also durchaus davon, dass die günstige Aufnahme durch die Leipziger Zuhörer sich auch auf dieses zusätzliche Engagement Nikischs zurückführen lässt.
Die wichtigsten Fakten zu Bruckners 7. Sinfonie
Die wichtigsten Fakten zu Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107
1. Allegro moderato
2. Adagio. Sehr feierlich und sehr langsam
3. Scherzo. Sehr schnell
4. Finale. Bewegt, doch nicht schnell
Orchesterbesetzung
Zwei große Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte; vier Hörner, vier Wagnertuben, drei Trompeten, drei Posaunen, Kontrabasstuba; Pauken, Becken, Triangel und fünfstimmiges Streichorchester.
Spieldauer: ca. 70 Minuten
Uraufführung: 30. Dezember 1884
Referenzeinspielung
Der warme und hochromantische Farbklang, den Karl Böhm und die Wiener Philharmoniker wählen, bietet ein intensives Bruckner-Erlebnis. Ein spannender Kontrast zu im Vergleich eher rationalen Zugängen, wie sie heute meist gewählt werden. Die hohe Spannung, mit der der Klangkörper musiziert, macht die weiten Bögen, die Bruckner spannt, stets in ihrem emotionalen Sinnzusammenhang erfahrbar. Das macht dieses historische Dokument zu einer zeitlos lebendigen Interpretation.
Bruckner: Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107
Wiener Philharmoniker
Karl Böhm (Leitung)
DGG