Dezember 1804. Beethoven war rasend vor Wut: Hatte sich der von ihm zuvor innig verehrte Napoleon Bonaparte doch tatsächlich selbst zum Kaiser gekrönt! Dem Freiheitsideal des Komponisten stand das diametral entgegen. Den Plan, seine kurz zuvor fertiggestellte Sinfonie Nr. 3 Bonaparte zu widmen, verwarf er daraufhin. Ein Zeugnis der Aufgebrachtheit des Komponisten ist das erhaltene Titelblatt einer Partiturabschrift, aus der Beethoven die Widmung „intitolata Bonaparte“ regelrecht auskratzte.
Die Enttäuschung über das einstige Vorbild saß tief. Beethoven war bereits seit seiner Immatrikulation an der kurkölnischen Landesuniversität zu Bonn im Jahr 1789 elektrifiziert von der Persönlichkeit Bonapartes, mit dessen Idealen er damals erstmals in Berührung kam. Begeistert vom Gedankengut der Französischen Revolution mit ihrer Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, schien Napoleon ihm zunächst die geeignete Persönlichkeit, jene Grundsätze in Europa zu etablieren. So plante Beethoven gar im Jahr 1804 den Umzug von Wien nach Paris – ein Vorhaben, welches jedoch mit dem Ereignis vom 2. Dezember 1804 – der Selbstkrönung Napoleons zum Kaiser – sein jähes Ende fand. „Ist der auch nichts anderes wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher, wie alle anderen Stellen, ein Tyrann werden“, soll Beethovens Ausruf gewesen sein. Auch der Plan, seine Sinfonie „Bonaparte“ zu betiteln, war damit hinfällig. Laut seinem Schüler Ferdinand Ries zerriss Beethoven gar das originale Titelblatt der Sinfonie und ließ es bei der Neuanfertigung mit dem heutigen Beinamen „Eroica“ versehen.
„Zu Ehren eines großen Mannes“
Die Musik jedoch, dessen erste Kompositionsskizzen auf das Jahr 1802 datiert sind, veränderte Beethoven nicht. Eine exakte Erklärung dafür liegt im Dunkeln, so lautet allerdings der Untertitel der Erstausgabe „Sinfonia Eroica, composta per festeggiare il sovvenire di un grand Uomo“ – zu Ehren also eines „großen Mannes“. Bekannt ist, dass Beethoven nicht nur Sympathien für Napoleon hegte, sondern auch für dessen Gegner, etwa Lord Nelson oder dem General James Abercrombie. Letzterer war 1801 in der Schlacht gegen die Franzosen gefallen, was Beethoven vermutlich dazu veranlasste, einen Trauermarsch in die Sinfonie zu integrieren. Naheliegend ist somit die Annahme, dass er seine „Eroica“ schließlich nicht mehr als ein musikalisches Statement für sondern gegen Napoleon sah, um die freiheitlichen Ideale, von denen er zeitlebens überzeugt war, weiterhin zu verteidigen.
Die „Eroica“
Neben den revolutionären Umständen der Zeit nach 1789, unter deren Eindruck die Sinfonie entstand, war es vor allem die Musik selbst, die wirklich bahnbrechend war. Nicht ohne Grund wird die „Eroica“ heute als der Grundstein der großen klassisch-romantischen Sinfonie-Gattung betrachtet. Alleine die Dimension der Komposition mit einer Aufführungsdauer von bis zu einer Stunde übertraf die Konventionen der Zeit um das Doppelte. Neu war zusätzlich die Ausführlichkeit des Kopfsatzes, die der Schlichtheit des erwähnten Trauermarsches im zweiten Satz kontrastierend entgegen stand. Auch die Kombination von Variation und der barocken Form des Fugato stellt ein absolutes Novum der Musikgeschichte dar.
Ihre Wirkung erzielt die „Eroica“ auch ohne ihren geplanten Beinamen, zudem wird sie heute zu den bedeutendsten Werken des Komponisten gezählt. Das fand auch Beethoven selbst, als er auf die Frage des österreichischen Dichters Christoph Kuffner, welche seiner Sinfonien er für seine bedeutendste halte, antwortete: „Die Eroica.“
Die wichtigsten Fakten zu Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“:
1. Satz: Allegro con brio
2. Satz: Marcia funebre (Adagio assai)
3. Satz: Scherzo (Allegro vivace)
4. Satz: Finale: Allegro molto – Poco andante – Presto
Orchesterbesetzung: Zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, drei Hörner, zwei Trompeten, Pauken, Streicher
Spieldauer: ca. 50 min
Uraufführung: Die Uraufführung fand im privaten Rahmen am 9. Juni 1804 im Wiener Palais statt, da der Fürst Joseph Lobkowitz das alleinige Aufführungsrecht erworben hatte. Die erste öffentliche Aufführung fand am 7. April 1805 im Theater an der Wien statt.
Referenzeinspielung
Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“
Gewandhausorchester Leipzig
Riccardo Chailly (Leitung)
Decca
Eine herausragende Interpretation gelingt Riccardo Chailly gemeinsam mit dem Gewandhausorchester auf dieser Einspielung aus dem Jahr 2011. Kompromisslos, puristisch und gänzlich auf den heroischen Charakter der Sinfonie fokussiert, dirigiert Chailly hier mit dem Fuß auf dem Gaspedal – ein wirklich spannender Beethoven bis zum letzten Takt.