(UA Wien 1807)
Nach drei ambitionierten Symphonien in rascher Folge (1800, 1802, 1804) gönnte sich der 37jährige Beethoven mit seiner Vierten ein entspanntes Intermezzo und zog Bilanz: er wußte, wer er war und was er konnte, aber er empfand Erschöpfung, Einsamkeit und Sehnsucht. Dagegen halfen nur: wacher Geist, grimmiger Humor und – ein sehnsüchtiges Adagio.
Die Adagio-Einleitung: ein leiser, langer Bläserton, von langsam absinkenden Seufzern der Streicher trübe angefärbt, im Dunkel tappende Achtel – erst einstimmig, dann akkordisch – und das Ganze von vorn: Melancholie pur… Aber der Geist ist wach: die tappenden Achtel werden im plötzlich ausbrechenden Allegro vivace sich in das lachende Hauptthema, die Seufzer sich in das Vogelgezwitscher des Seitenthemas verwandeln – dank musikalischem Humor!
Das Adagio ist eines der berührendsten, die Beethoven geschrieben hat – und er hat viele schöne geschrieben! Das „Herz“ des Satzes ist ein pulsierender Grundschlag, der manchmal sehr hörbar wird, der aber sein Tempo immer beherrscht. Die langgezogene Melodie darüber ist eine Liebeserklärung – an wen, wissen wir nicht; das schimmernde Klarinettensolo klingt nach Tränen der Entsagung – soviel ist bekannt.
Das Scherzo ist rhythmisch gepfeffert, geschärfte Harmonien und tief liegende Trompeten, Hörner und Pauken prägen das Klangbild: dieser Humor ist grimmig, fast düster, auch das schwelgerische Trio wird von grollenden Streicherfiguren untermalt.
Und jetzt bitte das ganze Orchester auf die vorderste Stuhlkante! Das Finale ist eine gefährliche Burleske: ein Spaß, der keinen Spaß versteht – es poltert und tobt, und wenn die Streicher bei den sforzato-Akzenten die Bögen auf die Saiten fallen lassen, klatscht es wie Ohrfeigen! Am Schluß zwei unerwartete Fermaten: nach der ersten flüstert Beethoven uns etwas Geheimnisvolles zu, nach der zweiten hält er die Fetzen des Themas zwischen den Fingern, als wollte er sie fallen lassen – und wir spüren: jetzt hat er wieder Lust, eine „richtige“ Symphonie zu schreiben…
Mathias Husmann