Auch ein Wolfgang Amadeus Mozart kam beruflich mal mächtig ins Schwitzen. Das endgültige Zerwürfnis mit dem Salzburger Erzbischof führte ihn 1781 nach Wien, wo er sich als freischaffender Komponist und Musiklehrer verdingte. Dort setzte er sich wieder an seine große c-Moll-Messe, schrieb ein Rondo für Violine und Orchester sowie eines für Horn und Orchester, komponierte darüber hinaus zwei Serenaden und seine „Entführung aus dem Serail“, auch sein „Leck mich am Arsch“-Kanon fiel in diese Zeit.
In diese recht stressige Schaffensphase ploppte dann auch noch ein weiterer Auftrag auf, den sein Vater Leopold vermittelte: Sigmund Haffner der Jüngere, dem Mozart schon einige Jahre zuvor eine Serenade gewidmet hatte, sollte in den Adelsstand erhoben werden – ein Ereignis, das musikalisch durch ein neues Orchesterwerk aus der Feder von Wolfgang Amadeus begleitet werden sollte. Ganz nebenbei musste Mozart übrigens seine bevorstehende Hochzeit mit Constanze Weber organisieren. Den ersten Satz des später „Haffner-Sinfonie“ bezeichneten Werkes sandte Mozart im Sommer 1782 an seinen Vater, versehen mit einem Brief, in dem er notierte: „Mein Herz ist unruhig, mein Kopf ist verwirrt.“
Feierlich, energisch und klangschön – die „Haffner-Sinfonie“
Im Frühling des darauffolgenden Jahres jedoch erklang das Werk erstmals im Burgtheater. Es sollte beileibe nicht die letzte Vorstellung des kompositorischen Schnellschusses bleiben. Noch heute ergreift einen ein feierliches, alles andere als unangenehmes Unbehagen, wenn die ersten Takte erklingen. Der doppelte Oktavsprung, der den ersten Satz einleitet, lässt aufhorchen, das unisono vorgetragene Thema mit seinen scharfen Punktierungen ist eindringlich. Doch ist es nicht dieses feierliche Klangbild, das verwirrt, sondern die Fünftaktigkeit des Themas. Dieses Prinzip zieht sich durch den gesamten ersten Satz: Alles ist feierlich, energisch, klangschön, und doch komponierte Mozart nachgerade subversiv für die Zuhörer klitzekleine Stolpersteine ein.
Im Mozart-Rausch
In dieser Hinsicht ist der symmetrisch aufgebaute zweite Satz ein Gegenpol dazu – der Dirigent, Komponist und Musikwissenschaftler Kurt Pahlen beschrieb den Satz einst als „Klopfen des Herzens bei einem innig bewegenden Erlebnis“. Das darauffolgende Menuett samt Trio erfreut sich in seiner Süffisanz und Beschwingtheit ganz besonderer Beliebtheit und bleibt auch dann noch im Ohr, wenn schon längst das rauschhafte Presto des letzten Satz in vollem Gange ist.
Mozart notierte einst zu seinem Werk: „Das erste Allegro muss recht feurig gehen, das letzte so geschwind, als es möglich ist.“ Ein einziger Rausch also, der weit über die zwanzig Minuten der Sinfonie hinaus anhält.
Die wichtigsten Fakten zu Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 35 KV 385, „Haffner-Sinfonie“:
Satzbezeichnungen
- Satz: Allegra con spirito
- Satz: Andante
- Satz: Menuetto
- Satz: Presto
Orchesterbesetzung: 2 Querflöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass
Spieldauer: 20 Minuten
Die Uraufführung fand am 23. März 1783 Wiener Burgtheater statt
Referenzeinspielung
Mozart: Sinfonie Nr. 35 KV 385, „Haffner-Sinfonie“
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Wolfgang Sawallisch (Leitung)
Aus: „Wolfgang Sawallisch – 8 CD-Box“
Als Gastdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) war Wolfgang Sawallisch gewissermaßen „primus inter pares“: 21 Jahre lang dirigierte der gebürtige Münchner als Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper und schaute nicht selten beim BRSO vorbei. Nach dem Tod des Dirigenten veröffentlichte Hänssler Profil 2013 mit dieser Box einen Querschnitt dieser Zusammenarbeit. Die älteste Aufnahme stammt von 1958 mit Orffs „Antigonae“, die jüngste aus dem Jahr 1998 – mit Mozarts „Haffner-Sinfonie“. Die Sammlung offenbart die wohl herausragendste Qualität des so unglamourösen wie genialen Künstlers: Auch wenn Sawallisch als Wagner– und Strauss-Spezialist galt, konnte er mit nahezu jedem Komponisten und jedem Werk aus jeder Gattung brillieren.