„Also Rosenkavalier, der Teufel hol ihn.“ Mit diesem Kommentar gab der Komponist den Empfehlungen des Librettisten sowie der überwiegenden Mehrheit seiner engsten Bekannten nach und verlieh seiner Oper jenen Titel, dessen er sich so lange verwehrte: „Der Rosenkavalier“.
Dies war eine der ganz wenigen Unstimmigkeiten eines ansonsten absolut reibungslos verlaufenden, kongenialen Kompositionsprozesses. Hugo von Hofmannsthal ist mit seinem Libretto ein herausragendes und auch literaturhistorisch bedeutendes Kunstwerk gelungen, während Richard Strauss nach seinen progressiven (um nicht zu sagen: aggressiven) Kompositionen „Salome“ und „Elektra“ ein Melodienfeuerwerk mit nachgerade zahmen Harmonien erschuf, das in den letzten Jahren der Habsburgermonarchie den guten, alten Rokoko herauf beschwörte.
Da mochte man dem Komponisten auch gleich verzeihen, dass eine auffallend hohe Anzahl an Walzertakten in die Partitur eingeflochten wurde. Bemerkenswert ist die Tatsache deshalb, weil der Wiener Walzer ein Tanz des 19. Jahrhunderts und damit für Strauss und seine Zeitgenossen Gegenwartsmusik war. Die Oper indes ist im Rokoko des 18. Jahrhunderts angesiedelt, in dem es die Walzerseligkeit so noch gar nicht gab.
Opulente Liebes- und Lebenslust
Nicht die feindselige Antike, sondern die gute alte Zeit des Wiens unter Maria Theresia ist also die Welt des „Rosenkavaliers“. Angesichts der weit mehr als drei Stunden Spielzeit halten sich die Irrungen und Wirrungen der Handlung in erfreulichen Grenzen: Eine Marschallin hält sich abseits ihres ehelichen Lebens den Jüngling Ocatavian, während ein finanziell klammer Baron das neureiche Töchterlein Sophie zu ehelichen gedenkt. Prompt wird der Jüngling dazu bestimmt, im Namen des Barons den Rosenkavalier zu spielen und per Übergabe einer silbernen Rose der Tochter die Ankunft des Bräutigams zu vermelden. Einige Intrigen und Maskeraden später finden am Ende der Oper zumindest Octavian und Sophie zusammen.
Der opulenten Liebes- und Lebenslust auf der Bühne steht eine erstaunlich feine Zeichnung der Charaktere gegenüber, die bis heute für die Sänger ein Lakmustest ihrer musikalischen, stimmlichen und auch schauspielerischen Fähigkeiten ist. Der Erfolg der starbesetzten Uraufführung 1911 in Dresden lag also auf der Hand. Auch wenn die Oper nicht ausschließlich Fürsprecher fand: Noch im Jahr der Uraufführung fand der „Rosenkavalier“ mehr als vierzig weitere Premieren an Opernhäusern im In- und Ausland. Man könnte gar von einer Rosenkavalier-Manie sprechen: Die Reichsbahn setzte Sonderzüge nach Dresden ein, um die Scharen in die Semperoper zu lotsen, die Figuren der Handlung dienten als Vorbilder für Faschingsmaskeraden, selbst Zigaretten wurden unter dem Namen „Rosenkavalier“ verkauft. Gar so leidenschaftlich stehen die Musikliebhaber von heute der Strauss-Oper zwar nicht mehr gegenüber. Wer aber auch nur ein einziges Mal eine Aufführung dieses Werks auf der Opernbühne erlebt hat, vergisst sie ein Leben lang nicht.
Die wichtigsten Fakten zu Richard Strauss’ „Der Rosenkavalier“:
Besetzung: Octavian, genannt Quinquin, ein junger Herr aus großem Haus (Mezzosopran), Herr von Faninal, ein reicher Neugeadelter (Bariton), Sophie, seine Tochter (Sopran), Jungfer Marianne Leitmetzerin, die Duenna (Sopran), Valzacchi, ein Intrigant (Tenor), Annina, seine Begleiterin (Alt), Ein Polizeikommissär (Bass), Der Haushofmeister der Marschallin (Tenor), Der Haushofmeister bei Faninal (Tenor), Ein Notar (Bass), Ein Wirt (Tenor), Ein Sänger (Tenor), Eine Modistin (Sopran), Ein Tierhändler (Tenor), Drei adlige Waisen (Sopran, Mezzosopran, Alt), Vier Lakaien der Marschallin (2 Tenöre, 2 Bässe), Vier Kellner (1 Tenor, 3 Bässe), Ein Gelehrter, ein Flötist, ein Friseur, dessen Gehilfe, eine adlige Witwe, ein kleiner Neger, Lakaien, Küchenpersonal, Gäste, Musikanten, Wächter, Kinder, verschiedene verdächtige Gestalten
Aufführungsdauer: etwa 3 ½ Stunden
Die Uraufführung von „Der Rosenkavalier“ fand am 26. Januar 1911 in Dresden statt.
Referenzeinspielung
Strauss: Der Rosenkavalier
Elisabeth Schwarzkopf, Otto Edelmann, Christa Ludwig, Teresa Stich Randall, Eberhard Waechter
Philharmonia Orchestra, Herbert von Karajan (Leitung)
Warner Classics
Auch wenn die Oper oft aufgeführt und aufgezeichnet wurde: Seit Jahrzehnten gibt es in Sachen Rosenkavalier die Marschallin schlechthin (Elisabeth Schwarzkopf) sowie den Octavian schlechthin (Christa Ludwig). Auf dieser legendären Aufnahme mit Herbert von 1956 sind die beiden jungen Sängerinnen aufs Wohklingendste miteinander vereint, während Otto Edelmann einen zwar einfältigen, doch durchaus eleganten Ochs gibt. Auch wenn die Aufnahmequalität von einer längst vergangenen Zeit zeugt: Sie bleibt die „Rosenkavalier“-Aufnahme schlechthin.