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R. Strauss: Der Rosenkavalier

Passen Wiener Walzer und Rokoko zusammen? Aber ja doch! Jedenfalls wenn es nach Richard Strauss und dessen Oper „Der Rosenkavalier“ geht.

vonMaximilian Theiss,

„Also Rosenkavalier, der Teufel hol ihn.“ Mit diesem Kommentar gab der Komponist den Empfehlungen des Librettisten sowie der überwiegenden Mehrheit seiner engsten Bekannten nach und verlieh seiner Oper jenen Titel, dessen er sich so lange verwehrte: „Der Rosenkavalier“.

Hugo von Hofmannsthal. Fotografie von Nicola Perscheid, 1910
Hugo von Hofmannsthal. Fotografie von Nicola Perscheid, 1910

Dies war eine der ganz wenigen Unstimmigkeiten eines ansonsten absolut reibungslos verlaufenden, kongenialen Kompositionsprozesses. Hugo von Hofmannsthal ist mit seinem Libretto ein herausragendes und auch literaturhistorisch bedeutendes Kunstwerk gelungen, während Richard Strauss nach seinen progressiven (um nicht zu sagen: aggressiven) Kompositionen „Salome“ und „Elektra“ ein Melodienfeuerwerk mit nachgerade zahmen Harmonien erschuf, das in den letzten Jahren der Habsburgermonarchie den guten, alten Rokoko herauf beschwörte.

Da mochte man dem Komponisten auch gleich verzeihen, dass eine auffallend hohe Anzahl an Walzertakten in die Partitur eingeflochten wurde. Bemerkenswert ist die Tatsache deshalb, weil der Wiener Walzer ein Tanz des 19. Jahrhunderts und damit für Strauss und seine Zeitgenossen Gegenwartsmusik war. Die Oper indes ist im Rokoko des 18. Jahrhunderts angesiedelt, in dem es die Walzerseligkeit so noch gar nicht gab.

Opulente Liebes- und Lebenslust

Die Sängerin Anny Gress als Octavian in "Der Rosenkavalier". Fotografie von Eduard Uhlenhuth, 1911-1919
Die Sängerin Anny Gress als Octavian in „Der Rosenkavalier“. Fotografie von Eduard Uhlenhuth, 1911-1919

Nicht die feindselige Antike, sondern die gute alte Zeit des Wiens unter Maria Theresia ist also die Welt des „Rosenkavaliers“. Angesichts der weit mehr als drei Stunden Spielzeit halten sich die Irrungen und Wirrungen der Handlung in erfreulichen Grenzen: Eine Marschallin hält sich abseits ihres ehelichen Lebens den Jüngling Ocatavian, während ein finanziell klammer Baron das neureiche Töchterlein Sophie zu ehelichen gedenkt. Prompt wird der Jüngling dazu bestimmt, im Namen des Barons den Rosenkavalier zu spielen und per Übergabe einer silbernen Rose der Tochter die Ankunft des Bräutigams zu vermelden. Einige Intrigen und Maskeraden später finden am Ende der Oper zumindest Octavian und Sophie zusammen.

Der opulenten Liebes- und Lebenslust auf der Bühne steht eine erstaunlich feine Zeichnung der Charaktere gegenüber, die bis heute für die Sänger ein Lakmustest ihrer musikalischen, stimmlichen und auch schauspielerischen Fähigkeiten ist. Der Erfolg der starbesetzten Uraufführung 1911 in Dresden lag also auf der Hand. Auch wenn die Oper nicht ausschließlich Fürsprecher fand: Noch im Jahr der Uraufführung fand der „Rosenkavalier“ mehr als vierzig weitere Premieren an Opernhäusern im In- und Ausland. Man könnte gar von einer Rosenkavalier-Manie sprechen: Die Reichsbahn setzte Sonderzüge nach Dresden ein, um die Scharen in die Semperoper zu lotsen, die Figuren der Handlung dienten als Vorbilder für Faschingsmaskeraden, selbst Zigaretten wurden unter dem Namen „Rosenkavalier“ verkauft. Gar so leidenschaftlich stehen die Musikliebhaber von heute der Strauss-Oper zwar nicht mehr gegenüber. Wer aber auch nur ein einziges Mal eine Aufführung dieses Werks auf der Opernbühne erlebt hat, vergisst sie ein Leben lang nicht.

Die wichtigsten Fakten zu Richard Strauss’ „Der Rosenkavalier“:

Besetzung: Octavian, genannt Quinquin, ein junger Herr aus großem Haus (Mezzosopran), Herr von Faninal, ein reicher Neugeadelter (Bariton), Sophie, seine Tochter (Sopran), Jungfer Marianne Leitmetzerin, die Duenna (Sopran), Valzacchi, ein Intrigant (Tenor), Annina, seine Begleiterin (Alt), Ein Polizeikommissär (Bass), Der Haushofmeister der Marschallin (Tenor), Der Haushofmeister bei Faninal (Tenor), Ein Notar (Bass), Ein Wirt (Tenor), Ein Sänger (Tenor), Eine Modistin (Sopran), Ein Tierhändler (Tenor), Drei adlige Waisen (Sopran, Mezzosopran, Alt), Vier Lakaien der Marschallin (2 Tenöre, 2 Bässe), Vier Kellner (1 Tenor, 3 Bässe), Ein Gelehrter, ein Flötist, ein Friseur, dessen Gehilfe, eine adlige Witwe, ein kleiner Neger, Lakaien, Küchenpersonal, Gäste, Musikanten, Wächter, Kinder, verschiedene verdächtige Gestalten

Aufführungsdauer: etwa 3 ½ Stunden

Die Uraufführung von „Der Rosenkavalier“ fand am 26. Januar 1911 in Dresden statt.

Referenzeinspielung

Album Cover für Strauss: Der Rosenkavalier

Strauss: Der Rosenkavalier

Elisabeth Schwarzkopf, Otto Edelmann, Christa Ludwig, Teresa Stich Randall, Eberhard Waechter
Philharmonia Orchestra, Herbert von Karajan (Leitung)
Warner Classics

Auch wenn die Oper oft aufgeführt und aufgezeichnet wurde: Seit Jahrzehnten gibt es in Sachen Rosenkavalier die Marschallin schlechthin (Elisabeth Schwarzkopf) sowie den Octavian schlechthin (Christa Ludwig). Auf dieser legendären Aufnahme mit Herbert von 1956 sind die beiden jungen Sängerinnen aufs Wohklingendste miteinander vereint, während Otto Edelmann einen zwar einfältigen, doch durchaus eleganten Ochs gibt. Auch wenn die Aufnahmequalität von einer längst vergangenen Zeit zeugt: Sie bleibt die „Rosenkavalier“-Aufnahme schlechthin.

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Präludien

(UA Dresden 1911) Wenn der Vorhang aufgeht, strömt die Morgensonne ins Schlafgemach. Draußen zwitschern die Vögel, drinnen kniet der junge Octavian (eine „Hosenrolle“ für einen Mezzosopran wie Mozarts Cherubin) vor dem Bett der Marschallin, deren sehr schöne Hand herabhängt – dem Publikum dämmert, warum das Orchestervorspiel so stürmisch bewegt klang … Stimmengewirr vor der Tür – ist es der Feldmarschall, der Ehemann der Marschallin? Octavian schlüpft schnell in die Kleider der Zofe. Nein – es ist ein Besuch: der (heruntergekommene) Vetter Baron Ochs. Dieser möchte von der Marschallin einen Verwandten empfohlen haben, der seiner jungen Braut (aus reichem Hause) die silberne (Verlobungs-)Rose überbringt nach der hochadeligen Gepflogenheit. Den Ochs wird man nicht so schnell wieder los – er redet unaufhörlich oberösterreichisch und scharmutziert sofort mit der Zofe … Auf Vorschlag der Marschallin überbringt Octavian der jungen Sophie Faninal die silberne Rose – und spannt sie gleich dem Ochs aus. Das gibt Ärger, der Baron muss verarztet werden… Die „Zofe“ hat Ochs zum Scharmutzieren in ein Wiener Beisl bestellt. Dort erlebt er sein blaues Wunder. Wie ein rettender Engel erscheint die Marschallin, befreit ihn kraft ihres guten Rufes aus peinlicher Situation, erklärt seine Verlobung für geplatzt und verpflichtet ihn zum Stillschweigen betreffs der Zofe. Dann gibt sie Octavian und Sophie ihren Segen und geht Arm in Arm mit Sophiens Vater Faninal ab. Das junge Paar ist im siebten Himmel … Hinreißend: der kammermusikalisch begleitete Monolog der Marschallin (im Wiener Dialekt) – sie erkennt, dass die Nacht mit Octavian ein Abschied war … die Rosenüberreichung – der Opernauftritt aller Opernauftritte (mit viel Celesta- und Harfen-Lametta) – zwei junge Menschen im Bann ihrer Liebe auf den ersten Blick … das tränenselige Terzett Sophie/Marschallin/Octavian: Hab’ mir’s gelobt/Mir ist wie in der Kirch’n/Es ist was kommen – alle drei in Gedanken. Hugo von Hofmannsthal charakterisiert die Akteure dieser Komödie für Musik trefflich über ihre Sprache (Mundart, Wortschatz), seine dichterische Domäne war das gesellschaftliche Qui pro quo – der feine Betrug. Vielleicht hat er – als der sensiblere Partner dieser langjährigen fruchtbaren Künstlerbeziehung – dem unbedenklichen Geschmack des Musikers etwas zu sehr nachgegeben. Richard Strauss wollte mit dem Rosenkavalier Mozart huldigen – durch Anspielungen auf Figaros Hochzeit : Die Zuneigung der Gräfin zu Cherubin wird zur Affäre zwischen der Marschallin und Octavian, der Flirt von Cherubin und Barbarina wird zur Verlobung von Octavian und Sophie, die Verkleidung Cherubins als Bauernmädchen wird zur Klamottenposse Octavians als Zofe, aus dem erotisch verirrten Grafen wird der geile Baron Ochs – eine brillante, leider recht lange und auf Dauer schwer sympathisch zu gestaltende Partie. Der Vergleich zwischen dem elegant tänzelnden Figaro-Orchester und dem verfetteten, plump walzernden Rosenkavalier-Apparat fällt nicht gut aus, zu sehr klingt Wien hier nach Münchener Oktoberfest, aber – siehe den kurzen Dialog zwischen der Marschallin und Faninal: Sind halt aso, die jungen Leut’! – Ja, ja! (Mathias Husmann)
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