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Sibelius: Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43

(UA Helsinki 1902) Im Jahr 1901 wurde Sibelius eingeladen, den Frühling zusammen mit seiner Frau Aino und den beiden Töchtern Eva (8) und Ruth (7) an der italienischen Riviera zu verbringen. Wellen rollen auf den Strand, Steine knirschen in der Brandung (Streicher). Sind es Kinder oder Vögel, die vom Frühling zwitschern (Holzbläser)? Unwillkürlich legt man…

(UA Helsinki 1902)

Im Jahr 1901 wurde Sibelius eingeladen, den Frühling zusammen mit seiner Frau Aino und den beiden Töchtern Eva (8) und Ruth (7) an der italienischen Riviera zu verbringen.

Wellen rollen auf den Strand, Steine knirschen in der Brandung (Streicher). Sind es Kinder oder Vögel, die vom Frühling zwitschern (Holzbläser)? Unwillkürlich legt man die Hand aufs Herz (Hörner). Eine lange, warme Melodie des Glücks erfüllt die Seele (Violinen) und weckt die Sehnsucht, dieses Thema zu gestalten. In der Durchführung geht es ans Werk. Künstlerische Arbeit bedeutet Einsamkeit (Oboesolo). Es wird skizziert, geändert, gekämpft, geschmiedet – und plötzlich – wie im finnischen Mythos von Ilmarinen und dem Sampo – entsteht die Gestalt des Glückes (Blechbläser) und leuchtet wie die Sonne Italiens.

Der zweite Satz ist wie ein Bergwerk in der Seele: Viel Schwermut ist abzutragen, aber auch große Kraft wird freigelegt. Als nicht mehr danach gegraben wird, findet es sich: drei piano-pianissimo Fis-Dur-Takte – ein kostbarer Glücksmoment.

Der dritte Satz fegt heran wie ein Orkan (Vivacissimo), doch der Stern des Glücks leuchtet fern und beständig in der Nacht (Lento e suave). Dann nähert sich der Stern, die Erde drängt ihm entgegen, alle Türen öffnen sich, alle Widerstände weichen – acht grandiose Takte leiten über zum …

Finale. Tanz des Glücks – eine sarabandenartige Bewegung erfasst magisch alle auf dem Podium und im Saal, man sitzt aufrecht und fühlt sich wachsen. Das Seitenthema (Oboe) ruft das Gegenbild des Glücks auf: das Leid – erlittenes und zugefügtes. Und wieder fängt es in der Durchführung ganz klein an: Der Künstler zermahlt das Material und baut geduldig Stein auf Stein, bis in der Reprise die Fahnen auf dem Dach wehen. Unten setzt sich der Zug der Leidtragenden – Täter und Opfer – in Bewegung, wird immer länger und drängt ins Licht. Die letzten, hymnisch strahlenden Takte sind kaum auszuhalten. Nach dem Schlussakkord dieser traumartigen Symphonie des Glücks muss man erst erwachen.

(Mathias Husmann)

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